Material für PCR-Testungen ist Mangelware. Großlabors würden bei der Belieferung bevorzugt, kritisiert der Laborchef eines Universitätsklinikums. Ist das wirklich so? Wir haben nachgefragt.
Am 29. Januar schrieb der SPIEGEL „Unikliniken können nicht ausreichend Patienten testen, weil sie bei der Zulieferung von benötigten Chemikalien benachteiligt werden. Die Pharmaindustrie macht lieber Kasse mit Großlabors.“ Stimmt das tatsächlich? Wir haben nachgefragt.
Die Deutsche Gesellschaft für Virologie e.V. listet auf ihrer Internetseite etwa 125 Einrichtungen, die hierzulande SARS-CoV-2 PCR Tests anbieten. In die Datenanalyse des Interessenverbands akkreditierter medizinischer Labore in Deutschland (ALM e.V.) gehen regelmäßig Daten von rund 170 teilnehmenden Laboren aus dem ambulanten und stationären Bereich ein. Im oben genannten Artikel beklagt der Ärztliche Direktor des Diagnostikzentrums am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), dass ihm Chemikalien fehlen würden, um die vorhandenen hocheffizienten Diagnostik-Systeme des Diagnostiklabors auszulasten.
Die Hochdurchsatzgeräte führen die Probenbeladung und -vorbereitung bis hin zur Nukleinsäureaufreinigung sowie die Amplifikation und Detektion mittels Real-Time PCR komplett vollautomatisch durch. Damit könnte ein Gerät pro Tag zwischen 1000 und 2000 Tests durchführen. Tatsächlich – so steht es im Artikel – würden am UKSH jedoch derzeit nur etwa 200 Proben pro Tag getestet werden. Der Grund liege in der Priorisierung, nach der die Hersteller zurzeit Labors weltweit beliefern. Bei der gingen Labors an Unikliniken derzeit oft leer aus, so Laborleiter Ralf Junker.
Wir sprachen dazu mit Dr. Lütgehetmann, Oberarzt vom Zentrum für Diagnostik des Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Da sich das Testvolumen im vergangenen Jahr in Deutschland vervielfacht hat, aber die Produkton häufig nicht so schnell gesteigert werden kann, sei es nur logisch, dass es zu Engpässen käme. Viele Labore würden daher mehrere Verfahren parallel zur SARS-CoV-2 Diagnostik einsetzten und zwischenzeitlich auch auf händische Verfahren umstellen, wenn ihnen Materialien für die automatisierten Verfahren fehlten. Aber auch dort kommt es immer wieder zu Lieferschwierigkeiten. „Ist ja klar, wenn die ganze Welt plötzlich deutlich mehr testet. Da gibt es zeitweise dann auch keine Pippettenspitzen in ausreichender Menge und auch andere Materialien aus Plastik sind knapp.“
Auch mit dem ärztlichen Leiter eines großen deutschen Labors haben wir über das Thema gesprochen. Er sieht die Situation im erwähnten Artikel als etwas überzogen dargestellt. „Aktuell haben wir andere Herausforderungen in der Patientenversorgung zu bewältigen“, so der Laborarzt.
Er stellt klar: „Mir ist aktuell kein Kliniklabor bekannt, das stillsteht. Meiner Kenntnis nach hat es auch zu keinem Zeitpunkt während der Pandemie Versorgungsengpässe in einem niedergelassenen Labor oder Kliniklabor gegeben. Die SARS-CoV-2 Labordiagnostik wurde zudem für Klinikpatienten nach den Vorgaben der Priorisierung durch die Nationale Testverordnung stets mit besonderem Augenmerk bearbeitet, um für die in den Kliniken schwerkranken Patientinnen und Patienten rasch Diagnostik zugänglich zu machen.“
Im Herbst letzten Jahres waren nahezu alle medizinischen Labore den globalen Lieferengpässen unterworfen, die damalige Testkapazität von 1,5 Millionen PCR-Tests auf SARS-CoV-2 war vorübergehend überschritten. Der Laborleiter erzählt: „Durch die im Rahmen der Testverordnung vorgegebenen Priorisierungen war die Klinikversorgung allerdings zu keinem Zeitpunkt eingeschränkt. Medizinische Labore halfen sich mit den entsprechenden Verbrauchsmaterialien sogar untereinander aus.“ Er ergänzt: „Dabei ist es auch unter kleineren Privatlaboren üblich, gemeinsam Einkaufsgemeinschaften zu bilden. Dies tun auch größere Klinikgruppen und es gibt auch universitäre Einkaufsgemeinschaften.“
Inzwischen sei die Testkapazität der medizinischen Labore seit November 2020 nicht mehr überlastet. Zudem wurde die PCR-Testkapazität der medizinischen Labore zuletzt nochmals auf in etwa wöchentlich 1,9 Millionen mögliche SARS-CoV-2-PCR-Tests erhöht, wobei aktuell, gemäß der wöchentlichen Datenauswertung der ALM e.V., lediglich etwa 980.000 PCR-Test auf SARS CoV-2 pro Woche angefordert und genutzt würden, so der Mediziner. In der Statistik sind sowohl regionale kleinere Labore als auch Labore aus Gruppen vertreten.
Fazit: Bei dem im erwähnten Spiegel-Artikel genannten Aspekt handelt es sich um ein Phänomen, das global seit einiger Zeit zu beobachten ist – jedoch unabhängig von Corona und medizinischen Laboren. Es gibt Konzerne, die einzelne Unternehmen einer Branche aufkaufen und Großketten bilden. Damit können sie dem einen oder anderen kleinen eigenständigen Unternehmen das Leben eventuell schwerer machen.
Aber auch eigenständige Leistungserbringer versuchen ihre Position zu stärken, indem sie sich beispielsweise zu Einkaufsgemeinschaften zusammenschließen und so ihre Beschaffungswege optimieren.
Bildquelle: Jezael Melgoza, unsplash