Mit der Untersuchung zirkulierender Tumorzellen lässt sich eine genau auf den Patienten zugeschnittene Therapie erstellen. Ein Projekt soll das Aufspüren dieser Zellen jetzt erleichtern – mit einer simplen Blutprobe.
In der Krebsforschung werden im Blut der Patienten zirkulierende Tumorzellen (englisch Circulating Tumor Cells, CTCs) als wichtige Informationsquelle über den Krankheitsfortschritt und mögliche Therapieansätze gesehen. Im Mittelpunkt des Projektes CTCelect standen von der technischen Seite das Auffinden, Isolieren und Vereinzeln dieser sehr seltenen CTCs in einem einzigen vollautomatisierten Prozess.
Sind die Zellen nach der vollautomatischen Vereinzelung intakt, so können ihre genetischen und molekularbiologischen Eigenschaften untersucht werden und Rückschlüsse gezogen werden, wie einzelne Tumorzellen auf eine Behandlung reagieren. Damit ergeben sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Grundlangenforschung, Diagnostik und Therapieoptimierung. Notwendig hierfür: lediglich eine 7,5 ml Vollblutprobe.
„Das Entwicklerteam um Projektleiterin Dr. Sabine Alebrand hat hervorragende Arbeit geleistet, um aus einem in Vorprojekten entstandenen ersten Prototypen einen robusten und benutzerfreundlichen Demonstrator zu realisieren, der in der Forschung zur personalisierten Krebstherapie wertvolle Optionen eröffnet“, sagt Dr. Michael Baßler, Bereichsleiter Diagnostik am Fraunhofer IMM und Konsortialleiter des CTCelect Projekts. „An präklinischen Modellen konnten wir zuverlässig morphologisch intakte Zellen isolieren.“
Allerdings entscheidet sich nicht nur an den technischen und medizinischen Aspekten, ob Patienten vom CTCelect-System profitieren können, sondern ebenso an ethischen Aspekten, den Nutzeranforderungen sowie wirtschaftlichen Fragen. Diese Perspektive brachten die Experten des Fraunhofer ISI ein. „Wir haben von den künftigen Anwenderinnen und Anwendern gelernt, dass sich die Ausgestaltung des Systems grundlegend unterscheiden muss, je nachdem ob es im Forschungskontext oder in der Routineversorgung eingesetzt werden soll“, berichtet Dr. Heike Aichinger, Projektleiterin am Fraunhofer ISI. „Für eine kommerzielle Produktentwicklung muss also rechtzeitig die Zielgruppe ins Auge gefasst und deren Bedarf bei der technischen Entwicklung umgesetzt werden.“
Die wahre Überprüfung der Funktionalität erfolgt aber, wenn das System beim Anwender, in diesem Fall dem Institut für Translational Skin Cancer Research (TSCR) am Universitätsklinikum Essen, mit Realproben betrieben wird. Die ersten Ergebnisse zur Anreicherung und anschließenden Analyse von zirkulierenden Tumorzellen zum Ende des Projektes sind vielversprechend.
„Die offene Plattform des CTCelect-Systems erlaubte uns nicht nur klassische Marker zur Anreicherung von zirkulierenden Tumorzellen einzusetzen, sondern auch Zellen zu isolieren, die diese Marker verloren haben“ erläutert Prof. Jürgen C. Becker, Leiter des TSCR, einer Abteilung des Deutschen Krebskonsortiums (DKTK) an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen.
„Die nachfolgenden molekularen Analysen der einzelnen Zellen bestätigten eindeutig, dass es sich wirklich um Tumorzellen handelte. Diese Analysen ermöglichen ganz neue Einsichten in die Heterogenität von Tumoren und erklären damit das oft nur schwer vorhersagbare Ansprechen bzw. Versagen von Therapien.“
Auf der Agenda für die kommenden Monate steht die Validierung mit weiteren Tumorentitäten, um anschließend mit geeignetem Partner in umfangreichere medizinische Studien einsteigen zu können. „Dafür sind jedoch sowohl die Ausrichtung auf größeren Durchsatz als auch die Parallelisierung wichtige Meilensteine. Diese Entwicklungsschritte möchten wir sehr gerne mit interessierten Partnern aus der Industrie gemeinsam gehen“, so Baßler.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Fraunhofer-Instituts für Mikrotechnik und Mikrosysteme.
Bildquelle: Salvador Godoy, Unsplash