Ein internationales Forschungsteam konnte zeigen, dass sich bereits sehr früh epigenetischen Signaturen einer Lymphozytose ablesen lassen. Siese Erkenntnis könnte neue Informationen für Krebstherapien liefern.
Die monoklonale B-Zell-Lymphozytose (MBL), als häufige Vorstufe der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL), gilt nicht als Krebserkrankung und wird entsprechend auch nicht behandelt. Umgekehrt bekommen jedoch pro Jahr nur ein bis zwei Prozent der Lymphozytose-Patienten auch eine Leukämie. Wie unterscheiden sich also beide Erkrankungen und wie hängen sie zusammen?
Dieser Frage ging ein Forschungsteam um Alexander Meissner vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik (MPIMG) und Catherine J. Wu vom Dana-Farber Cancer Institute nach. Wie die Forscher darlegen, ist eine für Krebs charakteristische chemische Signatur der DNA schon in den frühesten Stadien der Lymphozytose vorhanden.
Die Erbgutveränderungen bleiben über den gesamten Zeitraum stabil und sogar nach einer erfolgreichen Krebstherapie weiter bestehen. „Die charakteristischen chemischen Veränderungen an der DNA könnten also eine Voraussetzung für die Entstehung der Krebserkrankung sein“, vermuten die Forscher.
Für die Therapie hat dies aber keine unmittelbaren Konsequenzen: „Es wird auch weiterhin keinen Grund geben, eine monoklonale B-Zell-Lymphozytose mit klassischen Therapien zu behandeln“, sagt Wu. „Die Therapie bringt in diesem Stadium mehr Gefahren mit sich als die Erkrankung selbst. Allerdings könnten unsere Erkenntnisse einmal in neuartige Therapien einfließen.“
Die chemische Signatur besteht aus kleinen Methylgruppen, die durch Enzyme direkt an die DNA-Doppelhelix angekoppelt werden. Die eigentliche Erbinformation bleibt dabei unberührt.
Die Zelle ignoriert methylierte Abschnitte der DNA und liest die Erbinformation dort nicht ab. „Bei Krebszellen ist dieser epigenetische Leseschutz jedoch durcheinander geraten und damit der Zugriff auf die Informationen”, erklärt Helene Kretzmer, Erstautorin der Studie.
Um den Verlauf der Erkrankung auf der Ebene der Methylierungsveränderungen von Anfang bis Ende nachvollziehen zu können, nutzte das Team Proben von 23 Betroffenen mit Lymphozytose, von denen fünf später eine Leukämie entwickelten. Zudem konnten sie die Zellen von 25 an Leukämie erkrankten Personen vor und nach der Therapie charakterisieren. Die Zellen wurden einzeln analysiert und der Methylierungszustand erhoben.
„Wir stellten zuerst fest, dass die Methylierungsmuster in jedem Stadium der Erkrankung auftreten und stabil bleiben“, sagt Kretzmer. „Damit war klar, dass sie den Krankheitsverlauf nicht direkt beeinflussen und wir wollten herausfinden, wann die Muster entstehen und ob sie ein Treiber der Erkrankung sein könnten.“
Die Erkenntnis, dass die Erbgutveränderungen tatsächlich so früh in der Krankheitsentwicklung auftreten, wirft neue Fragen für die Krebsforschung auf, sagt die Forscherin. „Möglicherweise gibt es bei anderen Krebsarten Vorläuferzellen mit veränderter Methylierung, die ganz normal wachsen und daher nicht auffallen.“
Diese Zellen befänden sich demnach an der Schwelle zu einem Krankheitszustand und wären anfälliger für eine Deregulation. „Bei der DNA-Methylierung handelt es sich um einen Abwehrmechanismus“, sagt Kretzmer. Denn Gene, die nur im Notfall abgelesen werden, tragen in der Regel keine Methylierung. Wenn diese Gene durch Krebs methyliert werden, kann die Zelle diese wichtigen Rettungsgene nicht mehr aktivieren.
„Der Schutzmechanismus wird ausgehebelt“, sagt die Forscherin. „Umgekehrt erhält die Zelle durch Demethylierung Zugriff auf geschützte Bereiche, wodurch zum Beispiel Programme für die Zellteilung oder das Wachstum aktiviert werden und außer Kontrolle geraten können.“
Zur vollständigen Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik kommt ihr hier. Die Studie haben wir euch hier verlinkt.
Bildquelle: National Cancer Institute, Unsplash