Zur Behandlung von COVID-19 kommen einige Kandidaten infrage. Doch der Immunmodulator Tocilizumab erfüllte die in ihn gesetzten Hoffnungen jetzt einmal mehr nicht.
Vor etwa einem Jahr gaben die chinesischen Gesundheitsbehörden bekannt, dass sie den IL-6-Rezeptorantagonisten Tocilizumab zur Behandlung schwer erkrankter COVID-19-Patienten einsetzen wollen. Damals gab es noch keine klinischen Studien, die einen Erfolg beim Einsatz des Immunmodulators angedeutet hätten.
In den folgenden Monaten konnten Forscher zeigen, dass das proinflammatorische Zytokin Interleukin-6 (IL-6) in der Tat bei Patienten mit sehr schweren COVID-19 Verläufen erhöht ist. Die Hoffnung der Wissenschaftler: Ein Andocken von IL-6 auf der Zelloberfläche kann durch Tocilizumab verhindert werden – die volle, entzündungsfördernde Wirkung bleibt aus und der gefährliche Zytokinsturm flaut ab. Auch deutsche Forscher deuteten an, dass dieser Ansatz „großes Potential haben könnte“.
Immer mehr klinische Studien schlossen Tocilizumab in ihr Behandlungsregime ein, doch der große Erfolg blieb aus. In einer Phase-III-Studie, die im September 2020 erschien, konnte der Interleukin-6-Hemmer bei Patienten das Risiko senken, eine künstliche Beatmung zu benötigen. Bei der Mortalitätsrate zeigte sich jedoch kein signifikanter Unterschied.
Auch internationale Studien, in denen ein anderer IL-6 Antiköper, Sarilumab, an COVID-Patienten getestet wurde, zeigten zwar Verbesserungen in einigen Laborparametern, wie eine deutliche Senkung des C-reaktiven Proteins (CRP). Doch auch hier waren die klinischen Ergebnisse nicht eindeutig.
Vorletzte Woche wurden schließlich die Ergebnisse der internationalen Studie REMAP-CAP veröffentlicht: Sowohl Tocilizumab als auch Sarilumab konnten die Sterblichkeit von Patienten mit schwerem COVID-19 signifikant senken. Großbritannien beschloss daraufhin, beide Medikamente bei schwerkranken COVID-Patienten einzusetzen. Viele deutsche Experten bewerten diese Entscheidung als zu voreilig. Die geringe Anzahl an Probanden wird kritisiert. Auch ist die Studie bisher nur ohne Peer Review auf einem Preprint-Server publiziert.
Eine Studie aus Brasilien sorgt jetzt für weitere Ernüchterung. Die randomisierte Open-Label Studie schloss insgesamt 129 Patienten mit schwerem oder kritischem COVID-19 aus 9 Kliniken ein. Verglichen wurde eine Gruppe mit 64 Patienten, welche die dortige Standard-Behandlung (Hydroxychloroquin, Azithromycin, und Kortikosteroide) erhielten, mit 65 Patienten, die zusätzlich einmalig mit Tocilizumab intavenös behandelt wurden. Das primäre Endziel war, die Überlegenheit von Tocilizumab gegenüber der Standardbehandlung bis Tag 15 zu demonstrieren.
Das gelang nicht: Eine Behandlung mit Tocilizumab konnte keine Verbesserung der klinischen Parameter bei den Patienten erzielen. So benötigten 18 Patienten (28 %) der Tocilizumab-Gruppe eine mechanische Beatmung oder verstarben. In der Gruppe der Standardbehandlung waren es 13 Patienten (20 %). Eine Behandlung mit Tocilizumab schien zudem mit einem erhöhten Risiko zu versterben einherzugehen: Nach 15 Tagen waren 11 (17 %) der mit Tocilizumab behandelten Patienten verstorben – in der Kontrollgruppe waren es nur zwei (3 %).
Auch hier gilt: Die Studie ist so klein, dass aus dem Sterblichkeitsunterschied nicht zu viel herausgelesen werden sollte. In der Gesamtschau bleibt die Evidenz zu den IL-6-Rezeptorantagonisten freilich mager – viele sagen, zu mager. Eine Übersicht, welche anderen Wirkstoffkandidaten derzeit weltweit erprobt werden, findet ihr hier.
Bildquelle: Juliet Furst, Unsplash