In einer Studie zeigen Wissenschaftler, wie sie durch einen gezielten Eingriff am Ras-Protein das Leben von Tieren verlängern können. Ras-Proteine nehmen eine Schlüsselfunktion bei der Regelung von Zellprozessen ein – im Signalnetzwerk der Zelle steuern sie als molekulare Schalter wichtige Funktionen wie Zellteilung, Zelltod, Spezialisierung und Stoffwechsel. Diese Prozesse regulieren die Proteine innerhalb der Zelle über den Ras-Erk-ETS-Signalweg. Evolutionär hat sich dieses Netzwerk seit hunderten Millionen Jahren erhalten – es findet sich bei Einzellern wie Hefen, Insekten wie der Fruchtfliege Drosophila und auch bei Säugetieren wie Mäusen oder Menschen.
Bereits bekannt war, dass eine Hemmung dieses Signalwegs die durchschnittliche Lebenserwartung von
Hefezellen erhöhen kann. Allerdings griffen die Wissenschaftler dazu bislang direkt ins Erbgut ein, um einzelne Gene und somit den Ras-Signalweg zu lähmen. Ein Wirkstoff, der den Alterungsprozess an dieser Schnittstelle verlangsamt, war hingegen bislang nicht bekannt. Zunutze konnten sich die Wissenschaftler dabei machen, dass der Ras-Erk-ETS-Signalweg im Zusammenhang mit der Krebsbekämpfung gut erforscht ist. Denn eine Überaktivierung von Ras wirkt krebserregend: Bei etwa jedem dritten Krebspatienten ist das Ras-Protein der
Tumorzellen mutiert, sodass die Zellen sich unkontrolliert teilen. Aus diesem Grund konzentrieren sich bereits viele Krebsforscher auf diesen Signalweg – und es gibt erste Medikamente, die am Ras-Signalweg eingreifen, um das Tumorwachstum aufzuhalten.
Selbst im hohen Alter erhöht sich die Lebenserwartung
Einen dieser Wirkstoffe, Trametinib, verabreichten die Forscher als Futterzusatz erwachsenen Fruchtfliegen. Bereits bei einer geringen Dosis, die etwa einer Tagesdosis des Medikaments bei einem menschlichen Patienten entspricht, erhöhte sich die Lebenserwartung der Fliegen um acht Prozent. Bei einer mittleren Dosis lebten die Fliegen durchschnittlich zwölf Prozent länger. Für Anti-Aging-Anwendungen ist es entscheidend, dass ein Medikament selbst bei einer Gabe in einem späteren Lebensabschnitt noch seine Wirkung entfaltet. Dies konnten die Wissenschaftler zeigen. So verabreichten sie den Fliegen in einem Teilexperiment den Wirkstoff erstmals in dem für Drosophila recht hohen Alter von 30 Tagen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Eiablage, also die fruchtbare Phase, so gut wie eingestellt. Selbst bei dieser späten Gabe des Wirkstoffs in mittlerer Dosis erhöhte sich die Lebenserwartung im Schnitt um sieben Prozent. Negative Auswirkungen auf das Verdauungssystem oder die Futteraufnahme stellten die Forscher nicht fest.
Erk/Mapk-Signalweg reguliert ebenfalls die Lebenserwartung
„Unsere Ergebnisse liefern Hinweise darauf, welche Wirkstoffklassen bei Menschen eingesetzt werden könnten, um Alterungsprozesse zu verlangsamen”, erläutert Nazif Alic vom University College London. „Der Ras-Erk-ETS-Signalweg könnte ein Ziel für diese Wirkstoffe sein.” Dieser Weg muss nun noch genauer untersucht werden. „Die Studie legt nahe, dass eine Hemmung dieses Signalwegs positive Effekte für die Lebenserwartung und die Sterblichkeit hat”, sagt Cathy Slack, die an der Universität London und am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns forscht. Slack betont, dass Trametinib von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA als Arzneimittel gegen Hautkrebs zugelassen und als Medikament eingesetzt wird. Ras fungiert bei Säugetieren als Vermittler für den Insulin/IGF-1-Signalweg, der die Lebensspanne moduliert. Eine Aktivierung von Ras hat einerseits Auswirkungen auf den PI3/Akt-Signalweg sowie auf den Erk/Mapk-Signalweg. Bislang ging man davon aus, dass vor allem der PI3/Akt-Zweig für die Modulierung der Lebensspanne verantwortlich ist. Die Befunde zeigen jedoch, dass der Erk-Zweig dafür ebenfalls wichtig ist. Zentral für diese Wirkungen scheinen zwei Transkriptionsfaktoren zu sein, die von Ras-Erk gesteuert werden: Pnt, ein Aktivator für die Genexpression, und Aop, ein Repressor. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass über beide Zweige des Signalwegs die Lebenserwartung reguliert werden kann. Originalpublikation: The Ras-Erk-ETS signalling pathway is a drug target for longevity Nazif Alic et al.; Cell, doi: 10.1016/j.cell.2015.06.023; 2015