Klar, Kinder bekommen durch die Corona-Maßnahmen seltener typische Infektionskrankheiten wie Scharlach oder Atemwegsinfekte. Aber wie viel seltener eigentlich genau? Ein Blick auf die Zahlen.
Im vergangenen Jahr hat sich so einiges verändert. Dazu zählen auch die Besuchsgewohnheiten beim Kinder- und Jugendarzt. Bereits während des ersten Lockdowns haben wir in den Praxen einen deutlichen Rückgang der Patientenzahlen gespürt.
Im März und April sind wir zwar selbst aktiv geworden und haben Vorsorgeuntersuchungen und planbare Impftermine verschoben, manche Dinge wie Kontrollen der Sprach- oder Motorikentwicklung für Heilmittel gänzlich abgesagt. Logopädie und Ergotherapie fanden in den Praxen nicht mehr statt. In der Zwischenphase des Sommers, als alles so gut aussah, konnten wir die ganzen Termine abarbeiten und nachholen, der Sommer in der Kinderarztpraxis ist grundsätzlich entspannter.
Aber da sind immer noch die Akutpatienten. Kinder sind infektanfällig, sie gehen in Kitas und Schulen, sie nehmen alles mit, entspannte Zeit über die warme Jahreszeit, Hochsaison im Winter. Eltern kennen das. Die berühmten zehn bis zwölf Virusinfekte im Jahr sind da ganz normal.
Aber 2020 war alles anders. Ich habe einmal die Statistik bemüht und vier typische Infektionskrankheiten herausgegriffen: Den Scharlach (mit allen Unterkategorien der Streptokokkeninfektion), den Magen-Darm-Infekt, den Läusebefall (jaja …) und die allgemeinen Infekte der oberen Atemwege (mit Fieber, ohne Fieber, Husten, Schnupfen, Heiserkeit).
Die ersten Zahlen zeigen die Krankheitsfälle des Jahres 2019, die zweiten die von 2020. Noch plastischer wird es, wenn wir die Statistik vom 1. April – 31. Dezember 2020 betrachten (die Kita-Schliessungen begannen zwar schon Mitte März, aber so lässt es sich leichter berechnen).
Auch die Gesamtzahl unserer Patienten ist im Jahr 2020 um 18 % zurückgegangen, in den Quartalen 2 bis 4 sogar um 24 %.
Die Gründe sind einfach, Kitas und Schulen waren zeitweise geschlossen. Kontakte wurden eingeschränkt. In den Einrichtungen wurde mehr auf Hygiene und Abstand geachtet. Zu beachten ist die Verbreitung der verschiedenen Krankheiten: Die absoluten Fälle für Atemwegsinfekte sind naturgemäß höher, es gibt einfach genug Erreger auch neben COVID-19. Für Läuse braucht es sehr innigen Kontakt, deshalb hier ein stärkerer Rückgang als z. B. bei den Atemwegsinfekte, die auch über Handkontakt oder die Luft übertragen werden.
Nicht berechnen lässt sich der Effekt, dass Eltern in dieser Zeit aus Sorge vor Infektionen seltener in eine Arztpraxis gehen. Vielleicht haben die Eltern mehr priorisiert: So krank ist mein Kind nicht, dass ich in eine Praxis muss. Meine fMFA haben eine tolle Arbeit am Telefon geleistet: Viele Eltern ließen sich durch die Fernberatung beruhigen, erst einmal abzuwarten. Der Haupteffekt kann jedoch den Hygiene- und Kontakteinschränkungen zugeschrieben werden.
Wie lange die Veränderung anhält, hängt natürlich vom weiteren Verlauf der Pandemie ab. Solange Corona wütet, bleiben Kontakte eingeschränkt, geht man ungern in die Praxis. Vielleicht etabliert sich aber ein Denken, dass auch bei anderen Erkrankungen mehr an den anderen denken lässt, mehr Händewaschen, mehr Abstandhalten. Und vielleicht muß man nicht mit jeder laufenden Nase in die Arztpraxis gehen.
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