Gute Antigentests korrelieren besser mit der Infektiosität eines Corona-Patienten als die PCR. Wird bald an Schulen regelmäßig gescreent?
Antigenschnelltests haben beim Management von Infektionskrankheiten gegenüber den nukleinsäurebasierten Goldstandardverfahren zwei fundamentale Vorteile, darauf weisen Kliniker und Epidemieexperten mit Praxiserfahrung schon länger hin. Erstens sind sie, wie der Name schon sagt, schnell. In geübten Händen vergehen bei den meisten derzeit erhältlichen SARS-CoV-2-Antigentests vielleicht zehn Minuten von Abstrich bis Ergebnis. Der zweite prinzipielle Vorteil ist, dass die Antigentests nicht bei jedem Virusbruchstück anschlagen, sondern eher dann, wenn es ein echtes infektiologisches Problem gibt, sprich wenn die betreffenden Personen ansteckend sind.
Letzteres wird jetzt in einer aufwändigen Vergleichsstudie einmal mehr mit Daten hinterlegt. Publiziert hat sie das Team um Prof. Sandra Ciesek vom Institut für Medizinische Virologie der Goethe-Universität Frankfurt, und zwar im Journal of Clinical Medicine. Evaluiert wurden drei kommerziell erhältliche Lateral-Flow-Assays und ein Schnelltest mit anderer Nachweistechnologie, ein Immunofluoreszenz-Assay. Goldstandards gab es gleich zwei, zum einen die Reverse-Transkriptase-basierte Polymerasekettenreaktion (rRT-PCR) für den Virusnachweis, zum anderen die Anzüchtbarkeit des abgestrichenen Virus in Zellkultur für die Infektiosität.
Die Datengrundlage bildeten insgesamt 100 nasopharyngeale Abstriche von Menschen in Gemeinschaftswohnanlagen, die in einem Screening-Kontext unabhängig vom Vorliegen klinischer Symptome abgestrichen wurden. Dabei wurde ein Abstrich auf 2 ml Pufferlösung verdünnt, und aus dieser Pufferlösung wurden dann je 500 µl für rRT-PCR und Zellkultur und je 200 µl für jeden Schnelltest entnommen.
Die Sensitivität gegenüber der rRT-PCR lag zwischen 24,3 % und 50 % und damit in der Größenordnung, die auch in vielen anderen Studien für die Antigenschnelltests in Screening-Szenarien bei asymptomatischen Menschen beschrieben wurde. Das war aber nicht der Fokus der Forschungsarbeit, denn den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ging es um „Infektiosität statt Infektion“. Dazu wurde zum einen die Sensitivität gegenüber rRT-PCR in Abhängigkeit vom Viral Load ermittelt: Für einen als infektiös angenommenen Viral Load > 6 log10 RNA copies/ml betrug die Sensitivität der Schnelltests je nach Test zwischen 81,6% und 100%. Mit anderen Worten: Menschen mit infektiologisch relevantem Viral Load werden von den Schnelltest sehr gut erkannt.
Am interessantesten war aber die Analyse der Vorhersagekraft bezüglich der Virusanzucht in Zellkultur, dem eigentlichen Goldstandard für die Infektiosität. Und hier schnitten drei von vier Schnelltests, und zwar zwei Lateral-Flow-Assays und der Immunofluoreszenz-Assay, signifikant besser ab als die rRT-PCR. Während bei letzterer nur bei 51,6 % der positiven Test eine Virusanzucht gelang, waren es beim Immunofluoreszenz-Assay 82,4 % und beim besten Lateral-Flow-Assay 70,6 %.
Insgesamt seien die Antigentests damit stärker im Einklang mit zellkulturbasierten Nachweisen von Infektiosität als typische klinische PCR-Tests, die nicht nach Viruslast differenzierten, so die Autoren. Sie könnten demnach als Surrogat genutzt werden, um populationsbasiert potenziell infektiöse Menschen zu identifizieren: „Diese Strategie ist wahrscheinlich besonders effektiv, wenn die Tests häufig genutzt werden“, so die Autoren.
Dahinter steht nicht zuletzt die Frage, ob mit solchen Tests nicht der Schulbetrieb zügig wiederaufgenommen werden könnte, statt die Komplettisolation der von Sars-CoV-2 selbst kaum betroffenen Kinder als eine Pandemiekontrollstrategie bis weit in den Frühling hinein fortzuführen. Denkbar wäre zum Beispiel, Lehrer zweimal pro Woche zu testen und den Eltern Schnelltest an die Hand zu geben, damit diese dasselbe zweimal pro Woche mit ihren Kindern zu Hause in Eigenregie machen – mit Nach-Testung und ggf. häuslicher Isolierung bei positivem Ergebnis.
Kritiker dieses Modells erinnern unter anderem daran, dass die Schnelltests nur Momentaufnahmen darstellten und deswegen wenn überhaupt dann täglich getestet werden müsse. Allerdings gibt es eine Reihe von Modellierungen, die diesen Absolutismus etwas in Frage stellen, etwa diese hier, die Anfang des Jahres in Science Advances publiziert wurde. Sie deutet darauf hin, dass zweimal wöchentliche Tests einen hinreichend zuverlässigen Kompromiss zwischen Nutzen und Aufwand darstellen könnten.
Signale aus der deutschen Politik gehen derzeit freilich eher in eine andere Richtung. So beeindruckte der niedersächsische Kultusminister Grant Hendrik Tonne in der Neuen Osnabrücker Zeitung zwar mit dem Satz: „Wir nehmen den Kindern gerade alles weg, was ihr Leben ausmacht“, ergänzt um die Bemerkung, dass dies nicht ewig so bleiben könne. Von Schnelltests redete er freilich nicht, dafür kündigte er an, dass es auch im Februar keinen normalen Unterricht geben werde. Es bleibt dabei: Wissenschaft wird selektiv gehört in dieser Pandemie.
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