Die Videosprechstunde hatte in Deutschland lange mit Startschwierigkeiten zu kämpfen. Aufgrund der COVID-19-Pandemie hat das digitale Instrument in den Arztpraxen aber inzwischen Fuß gefasst. Die Videosprechstunde bietet große Chancen, es lauern aber auch einige Fallstricke.
Seit 2017 dürfen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland Videosprechstunden abrechnen, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten seit 2019. Dennoch machten bis vor Kurzem nur wenige Ärztinnen und Ärzte von dieser Möglichkeit Gebrauch. Das lag u. a. daran, dass das elektronische Rezept und die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch nicht umgesetzt sind und entsprechende Videodienste erst in die IT der Arztpraxen integriert werden mussten.1Starke Verbreitung durch Corona
Aufgrund der weltweiten COVID-19-Pandemie hat sich der Trend zur Digitalisierung im Gesundheitswesen jedoch massiv beschleunigt. Roland Stahl, Pressesprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) nennt Zahlen: „Zu Beginn des Jahres 2020 boten bundesweit lediglich rund 6.000 Praxen die Videosprechstunde an, im April/Mai waren es dann bereits 25.000. Das entspricht fast jeder vierten Praxis.“ Dazu dürfte zum einen beigetragen haben, dass viele Telemedizinanbieter ihre Dienste für einen längeren Zeitraum kostenlos zur Verfügung gestellt haben, und zum anderen, dass Videosprechstunden seit März 2020 pandemiebedingt vorerst unbegrenzt abgerechnet werden durften statt der bisher 50 Stunden pro Quartal.1 Auch unabhängig von der pandemischen Lage bietet die Videosprechstunde einige Vorteile. Gerade im ländlichen Raum können durch sie mitunter lange Anfahrtswege eingespart werden. Gerade für chronisch Kranke kann das eine große Erleichterung darstellen.
Technische Voraussetzungen
Um eine Videosprechstunde durchzuführen, sind aber zunächst einige technische und organisatorische Voraussetzungen zu erfüllen: Ein Smartphone, Tablet oder ein Computer mit Kamera und Mikrofon sowie eine Internetverbindung sind Grundvoraussetzung. Außerdem muss der verwendete Videodienst eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bieten und der Anbieter zertifiziert sein sowie eine Selbstauskunft bei der KBV und beim GKV-Spitzenverband eingereicht haben.2 Populäre Videotelefonie-Anbieter wie Skype oder Zoom kommen daher nicht infrage, dennoch ist die Liste zertifizierter Anbieter bereits recht umfangreich. In der Regel sind diese Dienste webbasiert, sodass neben dem Browser keine zusätzliche Software benötigt wird. Einige Anbieter stellen zusätzlich auch Apps für das Smartphone zur Verfügung. Genau wie ihr analoges Gegenstück muss die Videosprechstunde in Räumlichkeiten stattfinden, die Privatsphäre bieten, und darf von niemandem aufgezeichnet werden, auch nicht von Patientinnen und Patienten.2Differenzierung über Features
Oft locken die Dienstanbieter von Videosprechstunden-Software mit zusätzlichen Funktionen. So ermöglichen es Terminplaner den Patientinnen und Patienten etwa, selbstständig Termine für ihre Videosprechstunde zu buchen, was das Praxispersonal entlastet. Natürlich legt die Ärztin bzw. der Arzt zuvor den Rahmen fest. Ebenfalls praktisch ist eine Screen-Sharing-Funktion, die es ermöglicht, gemeinsam Bilder (z. B. Röntgenaufnahmen) und Dokumente zu betrachten. Um medizinische Sachverhalte noch einfacher und verständlicher zu erklären, können Informationsplattformen, wie TheraKey, eingebunden werden. Dort finden Sie und Ihre Patientinnen und Patienten Videos, Texte oder auch Quizze, die bei den Gesprächspartnern zu einem besseren Verständnis der eigenen Erkrankung führen.
Die Online-Etikette beachten
Ob die Videosprechstunde einen Mehrwert für Ärztinnen bzw. Ärzte und Patientinnen bzw. Patienten bietet, hängt nicht zuletzt von einer strukturierten Gesprächsführung ab. Da die Verbindungsqualität schwanken kann und die Übertragung immer mit einer gewissen Verzögerung erfolgt, sollte das medizinische Fachpersonal langsam und deutlich sprechen sowie regelmäßig kurze Pausen einlegen, um ihrer Gesprächspartnerin bzw. ihrem Gesprächspartner die Gelegenheit für Rückfragen zu bieten.3 Ärztinnen und Ärzte sollten sich bemühen, beim Sprechen direkt in die Kamera zu schauen, was aus der Perspektive ihres Gegenübers einem Augenkontakt entspricht.3 Wenn die Ärztin bzw. der Arzt den Blick abwendet, bspw. um Notizen oder Befunde außerhalb des Kamerawinkels zu studieren, sollte sie bzw. er dies kommunizieren, damit beim Gegenüber nicht der Eindruck von Desinteresse entsteht.3 Da viele Untersuchungsmethoden nicht zur Verfügung stehen, ist es nicht zuletzt entscheidend, die richtigen Fragen zu stellen, um sich ein klares Bild vom Zustand der Patientin bzw. des Patienten machen zu können.3Quellen: