Wenn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) die Hausärztinnen und Hausärzte in einem Brief bitten, Demenzkranke und ihre Angehörigen auf spezielle Informationsangebote des Bundes und der Deutschen Alzheimer Gesellschaft hinzuweisen, muss dies selbstverständlich kostenlos und ehrenhalber geschehen.
Die Nationale Demenzstrategie, am 23.09.2020 von Spahn, Giffey, Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) und 57 Verbänden unterzeichnet, zu denen auch die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung zählten, sieht gerade mal schlappe 160 Maßnahmen vor. Mit dieser völlig absurden "Neuen Unübersichtlichkeit" (J. Habermas) solle die Bevölkerung über die Demenz informiert und die Krankheit stärker entstigmatisiert werden, wurde damals behauptet.
Doch die Elite der internationalen Demenz-Forscher sieht gerade mal 12 entscheidende Risikofaktoren für die krankhafte Entwicklung zu einer fortschreitenden Demenz:
- Gerigerer Bildungsgrad
- Zunehmende Schwerhörigkeit
- Einfache/mehrfache Schädel-Hirn-Traumata
- Hypertonie und hypertensive Herzkrankheit
- Übermäßiger bis exzessiver Alkoholkonsum
- Adipositas und starkes Übergewicht
- Rauchen von Zigaretten, Zigarre, Pfeife...
- Depressionen/psychischer Stress/seelische Krankheit
- Soziale Isolation und Vereinsamung
- Luftverschmutzung mit Staub/Schadstoffen/Schwefel
- Körperliche Inaktivität und Immobilität
- Altersdiabetes und metabolisches Syndrom
"Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission" vonProf Gill Livingston et al. - Published: July 30, 2020
DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)30367-6
"Overall, a growing body of evidence supports the nine potentially modifiable risk factors for dementia modelled by the 2017 Lancet Commission on dementia prevention, intervention, and care: less education, hypertension, hearing impairment, smoking, obesity, depression, physical inactivity, diabetes, and low social contact. We now add three more risk factors for dementia with newer, convincing evidence. These factors are excessive alcohol consumption, traumatic brain injury, and air pollution."
Amyloid-beta- und Tau-Biomarker-Hypothesen werden von denselben Autoren zurückgewiesen: "Amyloid-ß and tau biomarkers indicate risk of progression to Alzheimer's dementia but most people with normal cognition with only these biomarkers never develop the disease."
Ich schreibe das auch aus eigener Erfahrung und Betroffenheit: Bei einer 75-jährigen Patientin wurde ich vom Sozialgericht Dortmund auf Betreiben der Viaktiv-Krankenkasse letztinstanzlich zur Zahlung von insgesamt 400,00 € einschl. Gerichtskosten verurteilt, weil ich trotz dokumentierter Symptomatik in einem Quartal versäumt hatte, eine mittelschwere Demenz als Diagnose zu dokumentieren. Der Vorsitzende Richter zeigte Verständnis für meine Situation und zielgerichtete Verordnung von Memantine, mit dem ich der Patientin und den Sozialkassen einen teuren Heimaufenthalt ersparen konnte, verwies aber zugleich wegen der eindeutigen Rechtslage auf geringe Chancen einer Revision beim Landessozialgericht.
Alle Abbildungen: Originale der zuständigen Ministerien