In einem dreidimensionalen Zellkultursystem konnten dopaminerge Neuronen aus neuronalen Stammzellen herangezüchtet werden. Das System könnte die Suche nach therapeutischen Wirkstoffen für Parkinson-Patienten in Zukunft erheblich verbessern und personalisieren.
Bei Parkinson-Patienten sterben insbesondere die dopaminproduzierenden Nervenzellen in der Substantia nigra im Mittelhirn ab. Diese Neuronen in der Zellkultur zu züchten, ist heute bereits möglich. „Aber die meisten dieser Zellkulturen sind zweidimensional, das heißt, die Zellen wachsen dabei zum Beispiel auf dem Boden einer Petrischale“, erläutert Arbeitsgruppenleiter Fleming: „Wir lassen die Neuronen in einem Gel heranwachsen und bilden damit ihre natürliche dreidimensionale Umgebung weitaus besser ab.“ Als Ausgangspunkt für die Züchtung der gewünschten Neuronen dienen den Wissenschaftlern einfache Hautzellen. Diese verwandeln sie mit gängigen Verfahren in induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen). „Durch die Zugabe geeigneter Wachstumsfaktoren lassen sich die iPS-Zellen dann in einem zweiten Schritt in neurale Stammzellen verwandeln“, sagt Prof. Dr. Jens Schwamborn, Leiter der LCSB-Forschergruppe Developmental & Cellular Biology, die für die Differenzierung der Zellen verantwortlich ist. „Das sind dann unsere Ausgangszellen, die wir in der Mikrofluidik-Kultur einsetzen.“ Nervenzellen, die aus Hautzellen hergestellt wurden, bilden ein dreidimensionales Netzwerk auf dem Chip. © Edinson Lucumi Moreno, LCSB Die Forscher vermischen die Zellen dazu zunächst mit einer Flüssigkeit, die sie anschließend in Bioreaktoren füllen. „Man kann sich so einen Bioreaktor wie einen Tunnel vorstellen, der in der Mitte durch eine flache Barriere getrennt ist“, erläutert Edinson Lucumi Moreno vom LSCB, Erstautor der Studie. „Auf die eine Seite des Tunnels geben wir die Flüssigkeit mit den Zellen, wo sie temperaturgesteuert zu einem Gel erstarrt. In die andere Seite füllen wir ein Medium, das wir je nach Bedarf mit Nährstoffen und Substanzen für die weitere Differenzierung der neuronalen Stammzellen versetzen können.“ Schon nach wenigen Stunden können die Forscher Veränderungen der neuronalen Stammzellen beobachten: Sie beginnen, kleine Ausstülpungen zu bilden, die sich im Verlauf der folgenden Tage zu Axonen und Dendriten entwickeln. Nach 30 Tagen sind 91 Prozent der Zellen Neuronen, etwa 20 Prozent davon die gewünschten dopaminergen Neuronen. Dies zeigen morphologische und immunologische Untersuchungen.
Einer der großen Vorteile des 3D-Zellkultur-Systems ist, dass es bereits in seiner jetzigen Form automatisierbar ist. Die Bioreaktoren sind auf kommerziell erhältlichen Platten untergebracht, die von Labor-Robotern bearbeitet und ausgelesen werden können. „Es ist damit möglich, bei der Wirkstoffentwicklung in einem Schritt Dutzende von chemischen Substanzen auf mögliche therapeutische Effekte zu testen“, sagt Ronan Fleming. „Da wir deutlich weniger Chemikalien als bei herkömmlichen Zellkultur-Systemen einsetzen müssen, sinken die Kosten auf etwa ein Zehntel.“ Ein weiterer Vorteil: Die Bioreaktoren können mit Zellen beschickt werden, die von Hautzellen individueller Parkinson-Patienten stammen. „Das ist ein wichtiger Schritt hin zu einer personalisierten Medikamenten-Entwicklung,“ sagt Fleming. Als Nächstes will das Team um Fleming mit internationalen Partnern Zellen von Patienten untersuchen und potentielle Wirkstoffe testen. Erfolgversprechende Substanzen sollen dann in Mäusen weiter evaluiert werden. Originalpublikation: Differentiation of neuroepithelial stem cells into functional dopaminergic neurons in 3D microfluidic cell culture Edinson Lucumi Moreno et al.; Lab on a Chip, doi: 10.1039/C5LC00180C; 2015