Während der Pandemie muss mancherorts genau geplant werden, welche Operationen wirklich nötig sind. Oft gibt es Alternativen – auch bei scheinbaren Notfällen wie der unkomplizierten Blinddarmentzündung.
Wir sind inmitten des zweiten Lockdowns und viele Krankenhäuser kämpfen mit den Umständen während der Corona-Pandemie. Intensivstationen sind ausgelastet, während elektive Eingriffe abgesagt oder verschoben werden müssen. Viele Stationen müssen Platz schaffen, um Corona-Patienten unterbringen zu können, und oft mangelt es auch an Personal.
Die richtige Zeit also, um sich bei manchen Erkrankungen oder zumindest bestimmten klinischen Situationen über Alternativen zu einer Operation oder einer stationären Einweisung Gedanken zu machen. Doch gilt das auch jenseits dessen, was gemeinhin elektiv genannt wird?
Eine interessante Erkrankung in diesem Zusammenhang ist die akute Appendizitis. Hier ist die Appendektomie nach wie vor die Therapie der Wahl bei allen Altersgruppen. Immer wieder gibt es jedoch Veröffentlichungen, die für die unkomplizierten Fälle, neben dem chirurgischen Vorgehen, auch eine konservative Behandlung vorschlagen, ggf. mit nachgelagerter Appendektomie im symptomfreien Intervall.
Eine deutschsprachige Leitlinie mit dieser Empfehlung gibt es bisher nicht. Doch zumindest die „World Society of Emergency Surgery“ empfiehlt aktuell, neben der Appendektomie, die Möglichkeit einer konservativen antibiotischen Therapie für ausgewählte Patienten mit akuter Appedizitis zu erwägen.
Bei Patienten mit niedrigem Risiko wird dort ein beobachtendes Vorgehen empfohlen, bei dem der Patient in der Klinik oder zu Hause bleibt, und alle 24 bis 48 Stunden erneut beurteilt werden sollte. Unter Berücksichtigung der klinischen Parameter wird zunächst eine antibiotische Therapie eingeleitet. Zeigt diese keinen Erfolg, so wird der Patient operiert.
Wissenschaftler aus Amerika konnten im November vergangenen Jahres in einer Studie mit über 1.500 Patienten zeigen, dass durch eine antibiotische Therapie in 7 von 10 Fällen auf die chirurgische Behandlung verzichtet werden kann. Dies beschränkte sich allerdings auf einen Beobachtungszeitraum von 90 Tagen – was aber wahrscheinlich reichen würde, um durch einen Lockdown zu kommen.
Die meisten bisherigen Studien zur Antibiotikatherapie bei der unkomplizierten Appendizitis wurden mit i. v. Antibiotika gemacht. Eine aktuelle Veröffentlichung im JAMA beschäftigt sich jetzt mit der Frage, inwieweit eine orale Antibiotikatherapie einer intravenösen Therapie gleichzusetzen ist. Die multizentrische, offen-randomisierte klinische Studie schaute sich hierfür die Krankheitsverläufe von knapp 600 Patienten mit unkomplizierter akuter Appendizitis in 9 finnischen Krankenhäusern an.
Verglichen wurden eine Gruppe mit 7-tägiger oraler Moxifloxacin-Gabe (Monotherapie) und eine zweite Gruppe, in der die Patienten zunächst an zwei Tagen das Carpapenem Ertapenem i. v. erhielten und dann mit Levofloxacin und Metronidazol oral weiter behandelt wurden. Primärer Endpunkt war der Behandlungserfolg, definiert als Entlassung ohne Operation und keine Rezidiv-Appendizitis innerhalb eines Jahres. Als wirksam wurde die Antibiose erachtet, wenn mindestens 65 % der Patienten die genannten Kriterien erfüllten.
In beiden Gruppen wurde das Wirksamkeitskriterium erreicht: 70,2 % der rein oral behandelten Patienten und 73,8 % der erst i. v. und dann oral behandelten Patienten erzielten einen Behandlungserfolg gemäß primärer Endpunktdefinition. Die Autoren beurteilen das als klinisch gleichwertig, auch wenn das statistische Nichtunterlegenheitskriterium mit den 3,6 % Unterschied knapp verfehlt wurde.
Was ergibt sich nun aus diesen Daten für die Behandlung der akuten Appendizitis? In den meisten Fällen bleibt die OP das Mittel der Wahl. Sind die Kapazitäten für Operationen aber eingeschränkt, wie es zur Zeit mancherorts der Fall ist, kann in unkomplizierten Fällen und unter Einhaltung internationaler Leitlinien zunächst auf eine antibiotische Therapie ausgewichen werden. Die neue Studie zeigt, dass dies auch eine rein orale Therapie sein kann. Engmaschige Kontrollen sind natürlich trotzdem wichtig.
Die Studie, welche die orale Antibiose mit einer intravenösen Therapie verglichen hat, haben wir euch im Text und nochmal hier verlinkt.
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