Viel Wirbel um die Corona-Impfung: Es häufen sich Gerüchte, viele sind verunsichert. Besonders bitter ist das Gerede, die Impfung mache unfruchtbar.
Dass eine Impfung unfruchtbar machen kann, ist keine ungewöhnliche Behauptung von Impfgegnern. Derzeit verbreitet sich das Gerücht im Zusammenhang mit der Corona-Impfung. Die bloggende Ärztin Schwesterfraudoktor hatte die Thematik in ihrem Beitrag vergangene Woche schon kurz aufgegriffen. Im Zusammenhang mit den Gerüchten stehen unter anderem Aussagen des Arztes Wolfgang Wodarg. Schon seit Monaten fällt er durch abwegige Äußerungen auf, in denen er die Corona-Pandemie beispielsweise als „reine Panikmache“ bezeichnet.
Auch in Sachen Impfstoff ist Wodarg schon negativ aufgefallen: In einer Petition rief er gemeinsam mit Michael Yeadon, ehemals bei Pfizer tätig, dazu auf, alle Studien zu den Corona-Impfstoffen abzubrechen, insbesondere die Phase-III-Studie zu dem Pfizer/Biontech-Impfstoff BNT162b.
Das Gerücht um die Unfruchtbarkeit ist deshalb so perfide, da es zunächst scheinbar detailliert und fachlich daherkommt: So ist die Rede von den Spike-Proteinen, die auf der Oberfläche von SARS-CoV-2 vorkommen. Das Virus gelangt mit ihnen in die Zielzellen. Sie sind aber auch essentiell für die Erkennung und die Abwehr von SARS-CoV-2 durch das Immunsystem. Und sie sind der Hauptangriffspunkt fast aller derzeit erprobten Impfstoffe.
Wodarg zufolge könnte das Vakzin nun nicht nur eine Immunreaktion gegen das Coronavirus hervorrufen, sondern auch gegen Syncytin-1, ein Protein das für die Ausbildung der Plazenta wichtig ist. Denn Syncytin-1 und das besagte Spike-Protein enthielten molekularbiologische Übereinstimmungen. Daher müsse man ausschließen, dass ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 eine Immunreaktion gegen Syncytin-1 auslöst. Sonst könne Unfruchtbarkeit von unbestimmter Dauer bei geimpften Frauen die Folge sein, heißt es in der Petition auf Wodargs Webseite.
Auch in den englischsprachigen Medien kursierte ein Artikel mit der Überschrift „Head of Pfizer Research: Covid Vaccine is Female Sterilization“, die Überschrift bezieht sich auf Yeadon. Der Beitrag war auf der Homepage „Health and Money News“ erschienen, die Seite ist aber inzwischen offline mit dem Hinweis, hier seien wiederholt falsche Behauptungen in Bezug auf die Corona-Pandemie verbreitet worden.
Doch Wodargs Argument hinkt ohnehin ganz gewaltig: Zum einen werden Antikörper gegen das Spike Protein von SARS-CoV-2 nicht nur nach einer Impfung, sondern auch im Zuge einer normalen Infektion mit dem Virus gebildet. Das hieße im Umkehrschluss: Auch eine Infektion mit dem Corona-Virus würde eine Gefahr für bestehende Schwangerschaften darstellen. Es existieren jedoch schon einige Studien, die keine negativen Effekte für Schwangere nachweisen konnten.
Der zweite Punkt ist die angeblich bedeutsame Übereinstimmung der Proteinsequenzen von Syncytin-1 und dem Spike-Protein von SARS-CoV-2. Es gibt auch tatsächlich einige Ähnlichkeiten. Die deutlichste Übereinstimmung: Drei gleiche Aminosäuren an einer Stelle der Sequenz. Aber Proteine harmloser Rhino- oder Rotaviren weisen bereits mehr Übereinstimmungen mit Syncytin-1 auf als das Spike-Protein von SARS-CoV-2, wie der Molekularbiologe Martin Moder anschaulich in einem Video erklärt.
Die Gerüchtestreuung bleibt nicht ohne Folgen, selbst unter medizinischem Personal. So schreibt Florian Aigner, Autor und Mitglied bei den Skeptikern, auf Twitter: „Nein, die COVID-19-Impfung macht Frauen NICHT unfruchtbar! Habe heute schon wieder von einem Arzt gehört, der ankündigt, Frauen mit Kinderwunsch nicht zu impfen.“
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Ein anderer User berichtet aus einem Krankenhaus: „80 % des Physiotherapiepersonals will sich NICHT #impfen lassen. ‚Interne Quellen‘ verbreiten, dass es Frauen unfruchtbar macht...“
Außerdem erzählte uns eine Ärztin, die gerne anonym bleiben möchte, von ihrer Tochter, die derzeit in einem Dialysezentrum jobbt. Kürzlich habe sie besorgt nachgefragt, ob die Impfung sie unfruchtbar machen würde. „Sie bekommt dort natürlich Nachrichten und Gespräche zu dem Thema mit", so die Ärztin. „Solche Fake News finde ich unverständlich.”
Bei der Live-Diskussion Zusammen gegen Corona am vergangenen Samstag ging auch RKI-Präsident Lothar Wieler in einem Nebensatz auf die Thematik ein: Er höre immer wieder, dass manche Pflegekräfte Sorge hätten, durch die Impfung unfruchtbar zu werden. „Das ist natürlich schlichtweg nicht korrekt. Das ist einfach eine Falschmeldung“, sagt er dazu.
Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in den USA raten derzeit sogar bei einer bekannter Schwangerschaft nicht von einer Impfung ab. Die Entscheidung liege aber bei der Schwangeren, heißt es auf der Homepage. Daten zur Sicherheit der Corona-Impfung bei Schwangeren liegen natürlich noch nicht vor, Studien sind laut Angaben des CDCs aber in Planung. Arzneimittelrechtlich zugelassen für Schwangere sind die Corona-Impfungen derzeit noch nicht.
Sicherlich werden trotzdem viele verunsicherte Frauen in den gynäkologischen Praxen nachfragen. Petra Brandt, Gynäkologin und DocCheck-Expertin, sagt dazu: „Ich halte es mit dem mRNA Impfstoff wie mit allen anderen Neuerungen in der Medizin: Für mich zählen verlässliche Expertenaussagen und wissenschaftliche Studien, kein Bauchgefühl. Im Moment gibt es in der Fachwelt keine begründeten Hinweise, dass der neue Impfstoff die Fertilität negativ beeinflusst.“
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