Neben Modernas Impfstoff eignet sich auch der von AstraZeneca für den Einsatz in Hausarztpraxen. Was der Lebend-Impfstoff kann und welche Schwächen er im Vergleich zu den mRNA-Vakzinen hat.
Die britische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency – MHRA) hat eine Beurteilung über den Impfstoff von AstraZeneca und der Oxford-Universität veröffentlicht. Neue Daten liefert das Dokument zwar nicht, doch die Einschätzung der Behörde ist dennoch interessant.
Insgesamt liegt die Wirksamkeit des Vektorimpfstoffs ChAdOx1 nCoV-19 (AZD1222) laut gepoolter Daten in der Altersgruppe der 18 bis 55-Jährigen bei 70 %. Hier eingeschlossen sind auch jene Probanden, die zuerst nur die halbe und anschließend eine volle Dosis erhalten haben.
Dieses Detail sorgte schon für Aufregung, weil die Injektion der halben Dosis offenbar auf einen Fehler zurückzuführen war (wir berichteten). Dennoch nahm man zuerst an, einen glücklichen Zufallsfund gemacht zu haben, denn in dieser Gruppe konnte eine höhere Wirksamkeit erreicht werden als in der Gruppe, die zweimal die Standarddosis erhielt: Die Analyse ergab hier eine Schutzwirkung von 90 %. Und an dieser Stelle wird es in dem MHRA-Dokument spannend.
Die Experten der Behörde machen darauf aufmerksam, dass dieser scheinbare Unterschied eher auf die Beeinflussung durch Störfaktoren zurückzuführen ist, unter anderem das Dosisintervall und das Alter der Probanden. So war das Intervall für die Mehrheit der Teilnehmer in der Standarddosisgruppe kürzer (< 6 Wochen) als in der Gruppe mit der niedrigeren ersten Dosis (≥ 12 Wochen). Zudem erhielten mehr jüngere Probanden die halbe Dosis. „Es gibt keine überzeugenden Beweise für einen tatsächlichen Unterschied in der Wirksamkeit zwischen voller und halber Dosis“, schreiben sie in ihrem Dokument.
AstraZenecas Impfstoff schneidet mit einer Wirksamkeit von 70 % also definitv schlechter ab als die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna (über 90 %). Dieser Wert wird auch bei Menschen mit Komorbiditäten erreicht (73 %). Für über 65-Jährige kann allerdings keine klare Aussage zur Wirksamkeit getroffen werden, da sie in den klinischen Studien unterrepräsentiert waren.
Über lokale Reaktionen an der Einstichstelle nach der ersten oder zweiten Dosis berichteten 86,0 % der Probanden gegenüber 71,7 % in der Kontrollgruppe. Systemische Reaktionen traten bei 73,0 % vs. 59,6 % der Teilnehmer nach der ersten oder zweiten Dosis auf. Schwere systemische Reaktionen traten bei 8,3 % in der Verumgruppe gegenüber 2,5 % in der Kontrollgruppe auf. Das ist mehr als beim Moderna-Impfstoff: Hier war nach der ersten oder zweiten Dosis nur bei 3,2 % der Probanden eine schwere systemische Reaktion beobachtet worden.
Ernsthafte Komplikationen traten aber bei weniger als 1 % der Probanden auf. Ereignisse von Interesse waren dabei unter anderem:
Insgesamt scheint AZD1222 bei Wirksamkeit und Nebenwirkungen also ein bisschen schlechter abzuschneiden als die mRNA-Impfstoffe. Das betont auch die auch in Deutschland nicht ganz unbekannte Expertin für evidenzbasierte Medizin Dr. Hilda Bastian, die die Impfstoffeinführung in den sozialen Medien, etwa auf Twitter, kommunikativ begleitet.
Der Vektorimpfstoff hat aber auch zwei wichtige Vorteile: Er kann bei Kühlschranktemperatur (2–8°C) transportiert und gelagert werden. Damit eignet er sich hervorragend für die Impfung in der Hausarztpraxis, weil keine aufwändige Kühlung nötig und auch der Transport unkomplizierter ist. Der zweite große Vorteil: Er wird kostengünstiger sein als die mRNA-Impfstoffe.
Wann der Impfstoff hierzulande erhältlich ist, bleibt allerdings unklar. Eine Zulassung noch im Januar scheint unwahrscheinlich. Denn AstraZeneca hat für die EU laut stellvertetendem EMA-Direktor Noel Wathion noch gar keinen Zulassungsantrag gestellt.
Bildquelle: Austin Distel, unsplash