Patienten mit Prädiabetes lassen sich in sechs Subtypen unterteilen. Die unterschiedlichen Merkmale der Patienten könnten helfen, Präventionsmaßnahmen in Zukunft gezielter zu treffen und das Auftreten eines Typ-2-Diabetes so zu verhindern.
Prädiabetes ist nicht gleich Prädiabetes: Bei Menschen im Vorstadium des Typ-2-Diabetes gibt es sechs klar abgrenzbare Subtypen, die sich in der Krankheitsentstehung, dem Risiko für Diabetes und der Entwicklung von Folgeerkrankungen unterschieden. Das zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie.
Bevor Menschen an Typ-2-Diabetes erkranken, durchlaufen sie oft eine längere Vorstufe des Diabetes, in der die Blutzuckerwerte bereits erhöht, aber die Personen noch nicht krank sind. „Bisher konnte man bei Menschen mit Prädiabetes nicht vorhersehen, ob sie einen Diabetes entwickeln und Risiken zu schweren Folgeerkrankungen wie Nierenversagen haben oder nur eine harmlose Form von leicht höheren Blutzuckerwerten ohne bedeutsames Risiko aufweisen“, erläutert Prof. Hans-Ulrich Häring, der die Studie vor 25 Jahren initiiert hat. Eine solche Unterscheidung ist jedoch wichtig, um der Stoffwechselerkrankung gezielt vorbeugen zu können.
Forschern aus Tübingen ist jetzt ein wichtiger Durchbruch gelungen. Sie haben mit Hilfe einer Clusteranalyse bei Menschen mit Prädiabetes sechs verschiedene Subtypen mit unterschiedlichem Diabetes-Risiko entdeckt. Eine differenzierte Einteilung des Prädiabetes und des Diabetes ermöglicht es, eine an die Krankheitsentstehung angepasste individuelle und frühe Prävention und Therapie von Diabetes und seinen Folgeerkrankungen zu betreiben.
Die Arbeitsgruppe um Prof. Häring und Prof. Fritsche im Universitätsklinikum in Tübingen hat den Stoffwechsel von noch als gesund geltenden Personen mit Prädiabetes detailliert untersucht. Die Probanden (n = 899) stammen aus der Tübinger Familienstudie und der Studie des Tübinger Lebensstilprogramms, die in den vergangenen 20 Jahren in Tübingen wiederholt intensiv klinisch, laborchemisch, kernspintomografisch und genetisch untersucht wurden. Anhand von Kerngrößen, die für den Stoffwechsel wichtig sind, konnten die Forschenden sechs Subtypen des Prädiabetes identifizieren.
„Wie beim manifesten Diabetes gibt es auch im Vorstadium des Diabetes unterschiedliche Krankheitstypen, die sich durch Blutzuckerhöhe, Insulinwirkung und Insulinausschüttung, Körperfettverteilung, Leberfett sowie genetischem Risiko unterscheiden“, fasst Erstautor Prof. Robert Wagner das Ergebnis der Untersuchung zusammen.
Drei dieser Gruppen (Cluster 1, 2 und 4) zeichnen sich durch ein niedriges Diabetes-Risiko aus. Die Probanden des Cluster 1 und 2 waren gesund. Dabei gehören dem Cluster 2 vor allem schlanke Menschen an. Sie haben ein besonders niedriges Risiko, an Komplikationen zu erkranken. Das Cluster 4 bilden übergewichtige Menschen, deren Stoffwechsel jedoch noch relativ gesund ist. Die drei übrigen Subtypen (Cluster 3, 5 und 6) weisen ein erhöhtes Risiko für Diabetes und/oder Folgeerkrankungen auf. Menschen, die dem Subtyp 3 angehören, bilden zu wenig Insulin und haben ein hohes Risiko, an Diabetes zu erkranken. Bei Menschen aus dem Cluster 5 kommt es zu einer ausgeprägten Fettleber, sie haben ein sehr großes Diabetesrisiko, weil ihr Körper resistent gegen die blutzuckersenkende Wirkung von Insulin ist. Beim Subtyp 6 treten bereits vor einer Diabetesdiagnose Schädigungen der Niere auf. Hier ist auch die Sterblichkeit besonders hoch.
Doch lässt sich die Einteilung in sechs Prädiabetes-Subtypen auch in anderen Kohorten bestätigen? Um das zu untersuchen, haben die Forscher das Verfahren auf beinahe 7.000 Probanden der Whitehall-II-Kohorte in London ausgeweitet und dort ebenfalls die sechs Untertypen des Prädiabetes identifiziert.
Die Forscher planen schon weiter. „In den nächsten Schritten werden wir zuerst in prospektiven Studien prüfen, wie weit die neuen Erkenntnisse für die Einteilung von einzelnen Personen in Risikogruppen anwendbar sind“, berichtet Prof. Fritsche. Sollte dies der Fall sein, könnten Menschen mit hohem Risikoprofil künftig früh erkannt und spezifisch behandelt werden.
„Ein Ziel des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung ist es, präzise Präventions- und Therapiemaßnahmen zu entwickeln, d. h. die passende Prävention oder Behandlung für die richtige Personengruppe zur richtigen Zeit. Die Verbindung aus tiefgehender klinischer und molekularer Forschung mit modernster Bioinformatik hat dieses auch international wichtige Ergebnis ermöglicht. Die Identifizierung von Subtypen im Vorstadium des Typ-2-Diabetes ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer Präzisionsmedizin bei der Prävention des Diabetes und seiner Begleiterkrankungen“, sagt DZD-Vorstand Prof. Martin Hrabě de Angelis.
Zur Studie geht es hier.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung.
Bildquelle: Guillermo Velarde, unsplash