Die Diagnose Multiple Sklerose ist keine Kontraindikation für Impfungen – auch nicht im Fall von COVID-19. Experten sprechen sich daher jetzt für ein Impfen der Risikogruppe MS-Betroffener aus.
Eine erfolgreiche Impfung gegen COVID-19 könnte grundsätzlich die Zahl der Menschen, die sich mit SARS-CoV-2 infizieren, reduzieren und damit die Wahrscheinlichkeit verringern, dass MS-Betroffene an COVID-19 erkranken. Wird ein wirksamer Impfstoff bei MS-Betroffenen angewandt, werden diese einen direkten Schutz gegen COVID-19 aufbauen.
Die Diagnose Multiple Sklerose stellt prinzipiell keine Kontraindikation gegen Impfungen dar. Durch Impfungen vermeidbare Infektionen können einerseits schwerwiegende Erkrankungen verursachen, andererseits bei MS-Betroffenen darüber hinaus Schübe auslösen und zur Krankheitsverschlechterung beitragen. Dieses Risiko ist grundsätzlich als höher einzuschätzen als potenzielle Risiken durch Impfungen. MS-Betroffene sollten daher mit den von der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Institutes empfohlenen Impfungen im Erwachsenenalter geimpft werden.
Zu Impfungen bei MS-Betroffenen, die ein Immuntherapeutikum erhalten, gibt es begrenzt Daten. Sorge ist hier ein vermindertes Ansprechen auf die Impfung. Um einen Impferfolg zu unterstützen, sollten Impfungen idealerweise mindestens 6 Wochen vor Einleitung einer Immuntherapie abgeschlossen sein. Grundsätzlich sind Impfungen mit Totimpfstoffen auch unter Zell-depletierenden Therapien möglich, das Ansprechen auf die Impfung kann allerdings vermindert sein. Idealerweise sollten Impfungen frühesten 4 Monate nach Behandlung (gemeint ist hier die jeweilige Medikamentengabe) erfolgen.
Bei Lebendimpfstoffen (wie Gelbfieber, Masern, Mumps, Röteln, Varizellen) können selten verstärkte Impfreaktionen auftreten. Die Indikation sollte bei MS-Betroffenen und insbesondere unter immunmodulatorischer Therapie streng gestellt werden. Lebendimpfungen unter Ocrelizumab, Alemtuzumab, Cladribin, Fingolimod, Siponimod, Ozanimod, Natalizumab oder Mitoxantron sind kontraindiziert. Die meisten der von der STIKO im Erwachsenenalter und für Ältere empfohlenen Impfungen sind Totimpfstoffe und können auch für MS-Betroffene uneingeschränkt empfohlen werden. Für MS-Betroffene als chronisch Kranke werden noch weitere Impfungen empfohlen, insbesondere unter einer immunsuppressiven Therapie.
Vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie sollte immer kontrolliert werden, ob ein Schutz gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen vorliegt. Bei fehlender Immunität sollte die Impfung noch mit ausreichendem Abstand zur Therapie durchgeführt werden, soweit die Therapie entsprechend verschiebbar ist. Da es sich um Lebendimpfstoffe handelt, kann eine Impfung unter Therapie nicht mehr durchgeführt werden.
Nationale und internationale Qualitätsstandards gelten wie bei allen anderen Impfstoff-Entwicklungen auch bei der Zulassung einer COVID-19-Impfung. Basierend auf den veröffentlichten Studien zu den beiden mRNA-basierten Impfstoffen, für die die Zulassung in der EU beantragt worden ist, ist nicht davon auszugehen, dass potenzielle Nebenwirkungen bei MS-Betroffenen gehäuft auftreten oder dass die Empfehlungen von denen für die Anwendung von Totimpfstoffen bei MS-Betroffenen abweichen werden.
Jedoch ist erst nach Abschluss von Zulassungsverfahren geklärt, welche Nebenwirkungen bei welchen Personengruppen und in welchem Ausmaß auftreten können und wie die Anwendungsempfehlung ausgestaltet sein wird. Auch nach einer Zulassung werden potenzielle Nebenwirkungen weiterhin erfasst und bewertet.
Wie bei anderen Totimpfstoffen können vorübergehend, insbesondere am Folgetag, typische Impfreaktionen wie Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Kopfweh, Temperaturerhöhung oder Schmerzen an der Einstichstelle auftreten. In den Zulassungsstudien gab es keinerlei als schwerwiegend beurteilte Nebenwirkungen.
Aufgrund begrenzter Impfstoffverfügbarkeit kann die Impfung zunächst nur bestimmten Personengruppen angeboten werden, die ein besonders hohes Risiko für schwere oder tödliche Verläufe einer COVID-19 Erkrankung haben, zum Beispiel Personen im Alter von ≥ 80 Jahren. Danach sollen die definierten Risikogruppen schrittweise erweitert und geimpft werden.
MS-Patienten gelten nach Einschätzung des Krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS) als Risikogruppe und es ist zu erwarten, dass sie prioritär im Impfregime bedacht werden. Aus Sicht des KKNMS ist eine Impfung gegen COVID-19 im Sinne der oben dargelegten Überlegungen zu empfehlen.
Hier kommt ihr zur vollständigen Pressemitteilung des KKNMS. Dort findet ihr auch eine Übersicht zu Impfungen, die Patienten mit MS grundsätzlich empfohlen werden.
Bildquelle: Sam Moqadam, Unsplash