Schnelltests sind en vogue, doch sind sie auch zuverlässig? Eine US-Analyse zeigt jetzt erneut, dass die Sensitivität bei asymptomatischen Infizierten deutlich geringer ist. Eine andere Frage ist, ob das ein Problem darstellt.
Vor Weihnachten waren sie kaum zu übersehen, die langen Schlangen an den Schnellteststellen, die im Dezember mancherorts wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Auf Plakatwänden, die sonst Konzerte anpreisen, lieferten sich plötzlich Schnelltestanbieter einen Klebewettbewerb. Klar ist: Die Menschen wollen sich testen, wenn es schnell und unkompliziert geht, und deswegen ist auch das Thema Antigenschnelltests für den Selbstgebrauch noch längst nicht politisch vom Tisch. Viele Meinungsführer der Corona-Debatte haben ihre 25er-Schnelltestpackung in der Schublade, bei medizinischem Hintergrund selbst erworben, oder aber dezent unter der Hand bezogen über den Arzt des Vertrauens im Freundeskreis.
Neue CDC-Daten zeigen, was Schnelltests können
Vor dem Hintergrund der hohen Popularität der Schnelltests ist die Frage der Zuverlässigkeit weiterhin ein heißes Eisen. Die Sensitivität, gemessen an der PCR-Diagnostik, wird in der Regel mit um die 80 Prozent angegeben. Dieser Wert gilt nicht nur für den nasopharyngealen Abstrich, sondern auch für den vorderen Nasenabstrich, wie eine kurz vor Weihnachten im European Respiratory Journal veröffentlichte Studie aus Heidelberg und Berlin gezeigt hat. Eine Sensitivität von 80 Prozent gegenüber der PCR gilt als guter Wert, auch deswegen, weil damit ein Teil jener Infizierten „aussortiert“ wird, die wegen geringer Viruslast gar nicht infektiös sind. Auf der anderen Seite werden Infizierte mit früher Infektion durch den Schnelltest – anders als bei der PCR – unter Umständen übersehen. Deswegen ist ein negativer Schnelltest nur eine „Momentaufnahme“, sofern nicht serielle Schnelltests vorgenommen werden, was die Menschen mit den 25er-Packs in der Schublade oft machen.
Anhänger der PCR-Diagnostik weisen aber schon länger darauf hin, dass die Sensitivität von 80% nur dann gilt, wenn die Getesteten Symptome haben. An der erwähnten Heidelberg-Berliner Studie etwa nahmen ausschließlich symptomatische Patienten teil. Dass die an der PCR gemessene Schnelltest-Sensitivität im Kontext des asymptomatischen Screenings eine völlig andere ist, zeigt jetzt erneut und relativ umfangreich eine Anfang Januar 2021 im Morbidity and Mortality Weekly Report (MMWR) der US-Gesundheitsbehörde CDC veröffentlichte Analyse beidseitiger Nasenabstriche von knapp 1100 Personen, von denen knapp 80 Prozent asymptomatisch waren.
Bei der Spezifität gab es zwischen symptomatischen und asymptomatischen Studienteilnehmern keine Unterschiede, sie lag jeweils bei über 98 Prozent. Die Sensitivität dagegen war deutlich verschieden. Sie erreichte für die symptomatischen Studienteilnehmer erneut die viel beschriebenen rund 80 Prozent, für die asymptomatischen dagegen waren es nur 41 Prozent, was sich in einen positiv-prädiktiven Wert (PPV) von 94,1% bei symptomatischen Menschen, aber nur 33,3 Prozent bei asymptomatischen Menschen umrechnen lässt.
Niedrigere Sensitivität spiegelt geringere Infektiosität
Alles für die Tonne beim Screening asymptomatischer Menschen? Natürlich nicht, denn die Werte müssen im Kontext der Infektiosität gesehen werden, und auch die ist enorm abhängig von Symptomen. Dazu gibt es mittlerweile ziemlich solide Daten, an denen sich auch nicht mehr viel zu ändern scheint. Ganz aktuell haben Professor Paul Glasziou und Kollegen vom Institute for Evidence-Based Healthcare der Bond University im australischen Queesland sowie der School of Public Health der Universität Sydney eine Metaanalyse publiziert, die 13 Studien aus sieben Ländern berücksichtigt, bei denen die Wissenschaftler das Bias-Risiko als niedrig einstuften.
Wenig überraschend gab es bei den Ergebnissen eine gewisse Spannbreite, aber in Summe zeigte sich, dass 17 Prozent – je nach Studie zwischen 4 Prozent und 41 Prozent – der Virusübertragungen von asymptomatischen Menschen ausgingen, 83 Prozent dagegen von symptomatischen Menschen. Umgerechnet war das relative Risiko einer asymptomatischen Übertragung knapp die Hälfte geringer als das Risiko einer symptomatischen Übertragung. Das war statistisch signifikant.
Die Unterschiede in der Übertragungswahrscheinlichkeit bei symptomatischen und asymptomatischen Patienten hat unmittelbare Konsequenzen für die Interpretation der Sensitivitäten der Schnelltests und damit auch für die Interpretation der aktuellen CDC-Daten: Wenn die Infektiosität asymptomatischer Virusträger wesentlich geringer ist, muss die Sensitivität eines Tests, der antritt, Infektiosität statt Infektion nachzuweisen, gegenüber der PCR, die quasi jede Infektion nachweist, zwangsläufig wesentlich geringer als bei symptomatischen Menschen sein. Das spricht nicht gegen den Schnelltest, sondern für ihn: Er tut, was er soll, nämlich Infektiosität statt Infektion nachweisen. Das Ergebnis muss aber als Momentaufnahme betrachtet werden, und Anwender müssen die Problematik der präsymptomatischen Infektion im Blick behalten.
Bildquelle: CDC, unsplash