Im Spätsommer war das Geschrei groß: Selbst ohne Symptome würden bei COVID-19 schwerste Herzschäden drohen. Aber ist das tatsächlich so? Die COMPETE-CMR-Studie hat dem Kardio-MRT jetzt eine Kontrollgruppe gegönnt.
Große Langzeitschäden nach auch symptomarmen COVID-19-Infektionen werden immer wieder als Argument bemüht, um die Akzeptanz von Social Distancing Maßnahmen über alle Altersgruppen hinweg zu verbessern. Unklar ist allerdings weiterhin, wie quantitativ relevant das Problem der Langzeitschäden insbesondere bei wenig symptomatischen bzw. ambulant versorgten COVID-19-Patienten tatsächlich ist.
Eines der Felder, auf denen diese Diskussion seit Sommer 2020 ausgetragen wird, sind die Schäden am Herzen. Es begann mit einer deutschen Kohortenstudie des Instituts für experimentelle und translationale kardiovaskuläre Bildgebung der Universitätsmedizin Frankfurt am Main, für die im Juni und Juli 100 ambulant versorgte, überwiegend erwachsene Menschen mit positivem SARS-CoV-2-Test über die Ambulanz der Uniklinik rekrutiert wurden. 78% dieser Patienten, so die Frankfurter in ihrer weltweit rezipierten Publikation, zeigten Auffälligkeiten im Kardio-MRT, meistens T1- und/oder T2-Signale als Zeichen für Ödeme. Bei einem Drittel zeigte sich außerdem eine späte Kontrastmittelanreicherung als Hinweis für Narben/Nekrosen. Das Geschrei war groß.
Kurz darauf legten Kardiologen der Ohio State University mit einer weiteren Kardio-MRT-Untersuchung nach, diesmal bei 26 im Mittel knapp 20-jährigen College-Leistungssportlern, die zwei bis sieben Wochen nach COVID-19-Infektion in den Scanner kamen. Hier zeigten 46% der Studienteilnehmer eine späte Kontrastmittelanreicherung, bei 15% waren die so genannten modifizierten Lake-Louise-Kriterien für die MRT-Diagnose eine Myokarditis, einer Herzmuskelentzündung, erfüllt. Auch das schlug Wellen, bis hin zu Forderungen, jegliche Art von leistungsorientiertem College-Sport während der Pandemie auszusetzen.
Danach wurde es einige Monate recht still um die Thematik. Man muss dazu wissen, dass die Kardio-MRT bei der Myokarditis-Diagnostik mittlerweile zwar eine zwanzigjährige Tradition hat, dass es aber gerade im Bereich der frühen und asymptomatischen Herzmuskelentzündungen noch eine ganze Menge offener Fragen gibt. Die klinische Relevanz von kardialen MRT-Befunden bei Menschen mit kaum oder keinen Symptomen ist in vielen Fällen noch nicht abschließend geklärt. Hinzu kommt, dass bei Studien, die Freiwillige rekrutieren, ein erhebliches Bias-Risiko besteht.
Methodisch braucht es in einer solchen Situation Daten mit guten Kontrollgruppen. Hier setzen jetzt Kardiologen, Sportmediziner und Statistiker der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, mit der kurz vor Weihnachten publizierten COMPETE-CMR-Studie an. Die überwiegend retrospektive Studie wiederholte im Prinzip die Ohio-Studie bei College-Athleten. Sie erweiterte diese aber um zwei Kontrollgruppen, nämlich eine Gruppe von Athleten ohne COVID-19 und eine Gruppe gesunder, nicht leistungssportorientierter College-Studenten.
Konkret durchliefen an der Vanderbilt Universität alle COVID-19-positiven College-Athleten ein standardisiertes MRT-Protokoll. 59 von ihnen wurden für die Studie berücksichtigt, 20% davon asymptomatisch, die anderen 80% mit leichter COVID-19-Erkrankung ohne stationäre Behandlung. Ihnen wurden retrospektiv 60 Athleten als Vergleichsgruppe zugeteilt, die ein analoges Screening-Protokoll durchlaufen hatten, bevor in der Region Nashville der erste COVID-19-Fall berichtet worden war. Die gesunden Kontrollprobanden waren Patienten, die aus anderen Gründen ein Kardio-MRT erhalten hatten, dies allerdings nur ohne Kontrastmittel.
Dass der Vergleich mit Athleten ohne COVID-19 eine sehr gute Idee war, zeigen vor allem die Daten zu der späten Kontrastmittelanreicherung, dem Late Gadolinium Enhancement oder LGE. Die LGE-Daten wurden im Sommer auch von einigen MRT-methodisch nicht so ganz sattelfesten, dafür sozialmedial lautstarken Kommentatoren in Deutschland mit „schweren Herzschäden“ in Verbindung gebracht. Tatsächlich gab es in der Vanderbilt-Studie jetzt beim LGE keinen Unterschied zwischen COVID-19-positiven Athleten und College-Athleten ohne COVID-19. Insgesamt 22% Prozent bzw. 24% der Athleten mit bzw. ohne COVID zeigten diesen Befund. Er geht wahrscheinlich auf das kardiale Remodelling bei Sportlern zurück – und eben nicht auf eine SARS-CoV-2-infektion.
Bei den „klassischeren“ MRT-Befunden für Myokarditis, den T1- und T2-Signalen, die mit Ödemen assoziiert sind, gab es moderate Befunde. Größere Unterschiede zwischen den meisten Standardparametern habe es zwischen COVID-19 Athleten und nicht infizierten Athleten nicht gegeben, so die Wissenschaftler. Es gab ein global leicht erhöhtes T2-Signal bei den COVID-19-Athleten, das aber nur im mittleren Septumbereich statistisch signifikant stärker war als bei den nicht infizierten Athleten. Leichte, segmentale Erhöhung von T1, T2 oder extrazellulärem Volumen zeigten 39% der COVID-19-Athleten gegenüber 13% der Kontroll-Athleten und 8% der gesunden Probanden.
Es passiert also ohne Zweifel etwas am Herzen, und immerhin zwei der COVID-19-positiven Athleten, das entspricht 3%, erfüllten die Lake-Louise-Kriterien für eine Myokarditis. In der Kontrollgruppe war das bei keinem der Fall. Interessanterweise waren beide Patienten initial asymptomatisch. Bei einem der beiden fiel die linksventrikuläre Funktion im Verlauf auf 45% ab, verbunden dann auch mit Dyspnoe. Das deutet darauf hin, dass – wie auch von den Frankfurter Kardiologen beschrieben – eine relevante Herzbeteiligung bei COVID-19 auch dann möglich ist, wenn kaum oder keine Symptome auftreten. Sie ist aber eher selten, und ob sie häufiger ist als bei anderen Virusinfektionen, bleibt unklar.
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