Endlich wird auch in Deutschland gegen Corona geimpft. Im Vergleich zu anderen Ländern sind wir aber viel zu langsam.
Die größte Impfkampagne, die in Deutschland je stattfand, hat ihre eigene, kleine Weihnachtsgeschichte. Die erste außerhalb klinischer Studien geimpfte Deutsche war die 101-jährige Edith aus Halberstadt – außerplanmäßig schon am 26. Dezember, weil Ediths Heimleiter nicht einsah, warum er bei ihr und mehreren Dutzend anderen Bewohnern und Mitarbeitern des Altenheims auf politische Fototermine warten sollte.
Seit dem 27. Dezember wird nun offiziell deutschlandweit geimpft. Erstmal sind über 80-jährige Bewohner von Alten- und Pflegeheime sowie medizinisches Personal an der Reihe. Doch die Sorge vor Impfstoff-Engpässen trübt die Freude über den Impfstart. Denn bis der Rest der Bevölkerung dran ist, dürfte noch einige Zeit vergehen.
Bis Ende März sollen laut Bundesregierung 11 bis 13 Millionen Impfdosen zur Verfügung stehen. Da für einen ausreichenden Impfschutz zwei Dosen benötigt werden, reicht das gerade einmal für 5,5 bis 6,5 Millionen Menschen. Rechnet man die Zahl der Genesenen hinzu, wären bei diesem Tempo Ende März nur rund 10 Prozent der Einwohner Deutschlands immun gegen SARS-CoV-2. Wenn man bedenkt, dass mindestens 70 Prozent der Bevölkerung, vielleicht sogar über 80 Prozent, immun sein müssen, um eine Herdenimmunität zu erreichen, ist das katastrophal.
Andere Länder scheinen das besser zu machen. In Israel etwa startete die landesweite Impfkampagne mit dem Vakzin von Biontech am 20. Dezember. Schon am 26. Dezember waren bereits über 3 Prozent der neun Millionen Einwohner mit dem Vakzin versorgt. Das geht aus den Impf-Daten von Our World in Data hervor – einer Statistik, an die wir uns in den kommenden Monaten wohl gewöhnen werden.
Einer Modellrechnung zufolge könnte das Land die Pandemie mit dieser Impfgeschwindigkeit bis Ende März effektiv in den Griff bekommen. Wenn täglich 1,1 Prozent der Einwohner geimpft werden, dann könnten innerhalb von 14 Tagen alle 1,4 Millionen Einwohner über 60 Jahren geimpft sein. In Kombination mit weiteren Eindämmungsmaßnahmen ließen sich so die COVID-Todesfälle und die COVID-19-Fälle mit schwerem Verlauf um das 10- bzw. 4-fache reduzieren.
Auch im Vereinigten Königreich läuft das Durchimpfen der Bevölkerung vergleichsweise schnell ab. Zweieinhalb Wochen nach Impfstart waren dort bereits knapp 1,8 Prozent der Bewohner geimpft (Stand 24.12.). Die von dem Astra-Zeneca-CEO am Wochenende für die nächsten Tage in Aussicht gestellte Notfallzulassung des Oxford-Impfstoffs, einer attenuierten Lebend-Vakzine, die kostengünstiger ist und einfacher zu handhaben als die mRNA-Impfstoffe, dürfte die Menge an verfügbarem Impfstoff nochmals erhöhen. (Update 30.12.: Der Oxford-Impfstoff ist in Großbritannien zugelassen worden.)
So schnell wird es bei uns nicht gehen. Die EMA will am. 6. Januar über die Zulassung des Moderna-Impfstoffs entscheiden. Beim Oxford-Impfstoff gibt es noch nicht einmal einen Zeitplan. Die Bundesregierung hat viel zu wenig Impfstoff bestellt und denkt erst jetzt über einen Aufbau der Kapazitäten nach. Das Ganze erinnert fatal an das Maskendebakel im Frühjahr. Das Beispiel Köln zeigt ganz konkret, wie begrenzt die Verfügbarkeiten derzeit sind: Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hatte zum Impfstart 9.750 Dosen erhalten. Auf die Stadt Köln mit knapp einer Million Einwohner entfielen gerade einmal 180 Dosen. So viel zum Impfstoff-Engpass.
Der Artikel ist in Zusammenarbeit mit Philipp Grätzel entstanden.
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