Bei erektiler Dysfunktion können selektive PDE-5-Hemmer helfen – doch nur symptomatisch und temporär. Durch extrakorporale Stoßwellen sollen vaskuläre Erektionsstörungen dauerhaft, ursächlich und schmerzfrei behandelt werden. Zu gut, um wahr zu sein?
Jeder 3. Mann über 40 Jahren leidet unter einer erektilen Dysfunktion und bei ungefähr 70 % der Betroffenen ist die Ursache vaskulär. Der mangelnde Blufluss in die Schwellkörper lässt den Penis nicht ausreichend versteifen. Aktuell ist die Therapie der erektilen Dysfunktion hauptsächlich auf die Einnahme selektiver PDE-5-Hemmer eingestellt, die Nebenwirkungen verursachen können und eine symptomatische, zeitbegrenzte Wirkung aufweisen. Die Spontanität des Geschlechtsverkehrs ist somit beeinträchtigt. Die extrakorporale Behandlung mit Stoßwellen niedriger Intensität verspricht hingegen eine dauerhafte, ursächliche Therapie der vaskulären erektilen Dysfunktion.
Die therapeutische Anwendung der Stoßwellen ist nichts Neues. Nieren-, Gallen- und Bauchspeicheldrüsensteine werden damit schon seit ungefähr vierzig Jahren erfolgreich zertrümmert. Auch Pseudarthrosen, Sehnenansatzbeschwerden und Verbrennungen können mit Stoßwellen behandelt werden. Stoßwellen sind akustische Wellen, die traditionell durch elektrische Funkenentladungen unter Wasser erzeugt werden. Auch magnetische Felder oder Quarzkristalle werden zur Stoßwellenproduktion eingesetzt. Je nach Wellenparameter, haben Stoßwellen unterschiedliche Möglichkeiten, die in verschiedenen Indikationen angewendet werden. Später, um die Jahrtausendwende, entwickelten Forscher die Theorie der Angioneogenese: mit Stoßwellen wurden neue Gefäße gebaut, sowohl im Herz als auch im Penis. Heute sagen Urologen, wie Dr. Christoph Pies: ,,Der Penis ist die Antenne des Herzens‘‘. Klar! Denn Koronarinsuffizienz und vaskuläre erektile Dysfunktion haben gemeinsame Ursachen und Risikofaktoren. Einige Experten sehen sogar beide Gesundheitsprobleme als unterschiedliche Manifestationen derselben Grunderkrankung: der Arteriosklerose.
Das therapeutische Prinzip, aus dem Standpunkt der Pathophysiologie gesehen, ergibt Sinn. Experimente haben dokumentiert, dass Zellen auf Stoßwellen reagieren, indem sie Stammzellen aktivieren, das Abwehrsystem positiv beeinflussen, Nervenzellen reparieren und die Gefäßwandinnenschicht stimulieren, so dass neue Gefäße gebildet werden. Somit handelt es sich um die einzige Therapiemöglichkeit, die eigentlich an der Ursache der vaskulären erektilen Dysfunktion arbeitet. Darüber hinaus sind die Anwendungen nicht-invasiv, schmerzfrei, können mit Medikamenten kombiniert werden und haben keine klinisch signifikanten Nebenwirkungen. Zu gut, um wahr zu sein? Eine Metaanalyse der 16 klinischen Studien, mit über 800 Männern, die seit 2010 durchgeführt und veröffentlicht wurden, zeigt, dass mehrere Studien eine deutliche Verbesserung der erektilen Funktion nachweisen, gemessen mit dem Internationalen Index der Erektilen Funktion (IIEF) und der Erektionshärte Skala (Erection Hardness Score, EHS). Die Erfolgsrate der Therapie betrug insgesamt bis zu 78 % bei Probanden, die eine leichte bis mäßige erektilen Dysfunktion hatten und bis zu 54 % bei Probanden, deren PDE-5-Hemmer-Therapie nicht anschlug. Auch die Durchblutung des Penis, untersucht mit Triplex-Ultraschall, verbesserte sich sichtlich nach der Stoßwellen-Therapie und der Effekt hielt in einer Studie bis zu 12 Monate an. Stoßwellen waren auch für die Behandlung der Peyronie-Krankheit hilfreich, die durch schmerzhafte Erektionen mit starker Biegung des Penis gekennzeichnet wird.
Die Methodologie einiger Studien wurde jedoch kritisiert. Folgende Punkte sind besonders wichtig:
Zu Beginn ist der Ausschluss anderer Ursachen der erektilen Dysfunktion wichtig, bevor die Möglichkeit der Stoßwellen-Therapie einem Patienten angeboten wird. Darüber hinaus sollte jeder Mann mit einer vaskulären erektilen Dysfunktion auf ,,Herz und Niere‘‘ geprüft werden. Bluthochdruck, Diabetes oder erhöhte Fettwerte müssen unbedingt parallel behandelt werden. Insgesamt werden Patienten, je nach Schweregrad der Erkrankung, sechs bis zwölf Mal mit Stoßwellen behandelt, in der Regel zwei Mal pro Woche. Jede Behandlung dauert ungefähr 20 bis 30 Minuten. Vor der ersten Behandlung hält der Urologe meistens den Applikator einmalig über die Hand des Betroffenen, so dass er den leichten Druck der Stoßwellen spürt und sich daran gewöhnt. Der Urologe streckt danach den Penis manuell, bestreicht die Region mit Ultraschallgel, und führt den Applikator der Stoßwellen über mehrere Punkte am Penisschaft und dem Beckenboden, mit einer Frequenz von 120 Impulsen pro Minute. Ein bis drei Monate nach der Beendigung der letzten Sitzung ist eine Nachuntersuchung ratsam.
Seit 2010 gibt es Studienergebnisse, die belegen, dass Männer, die an einer vaskulären erektilen Dysfunktion leiden, mit Stoßwellen behandelt werden können. Eine relevante Umfrage von 192 Personen, die während dem 18. Kongress der Europäischen Gesellschaft für Sexualmedizin im Jahr 2016 durchgeführt wurde, ergab: Mehr als 70 Prozent der Teilnehmenden sagten, dass Stoßwellen in dieser Indikation effektiv sind, fast 85 Prozent waren überzeugt, dass die Therapie auch sicher ist, und 14 Prozent behandelten schon zum Zeitpunkt der Befragung ihre Patienten mit der neuen Methode. Die moderne Stoßwellen-Therapie niedriger Intensität ermöglicht eine ursächliche, nicht-invasive, nicht-medikamentöse und schmerzlose Behandlung der vaskulären erektilen Dysfunktion, aber – es gibt offene Fragen, die mit gut konzipierten Studien beantwortet werden müssen. Zum Beispiel ist noch nicht klar, welches Anwendungsprotokoll für welche Patientengruppen am effektivsten ist oder wie lang eine erfolgreiche Therapie anhält. Die existierenden Daten, die qualitativ nicht makellos sind, deuten darauf hin, dass jüngere Männer mit milder vaskulären erektilen Dysfunktion, die nicht zu lang andauert, sowie Männer bei denen die PDE-5-Hemmer-Therapie anschlägt, eher von der Stoßwellen-Therapie profitieren. 32 weitere Studien, die aktuell zu diesem Thema laufen, sollen klären, wie die Therapie in Zukunft optimal angewendet werden kann.