Forschern ist mit Hilfe von Enzymen erstmals eine biokatalytische Synthese von Nukleosiden gelungen. Das kann die Entwicklung antiviraler Wirkstoffe und RNA-basierter Therapeutika erleichtern.
Durch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundene intensive Suche nach Therapeutika und Impfstoffen erfährt die chemische Substanzklasse der Nukleoside ein enorm verstärktes Interesse. Natürliche und synthetische Nukleoside haben eine antivirale Wirkung und können als Bausteine von Ribonukleinsäuren (RNA) fungieren. Eingebaut in RNA ergeben sich neuartige Wechselwirkungen innerhalb des Makromoleküls mit positiven Konsequenzen für die Stabilität und biologische Wirksamkeit.
In der medizinischen Chemie besonders gefragt ist die Molekülfamilie der Kohlenstoff-(C-)Nukleoside: Diese unterscheiden sich von den natürlich häufiger vorkommenden Stickstoff-(N-)Nukleosiden – den klassischen Bausteinen von RNA – durch die Art der Verknüpfung zwischen dem Zucker und der Nukleinbase. Anstelle einer Kohlenstoff-Stickstoff-Bindung haben C-Nukleoside eine Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung. Diese ist biochemisch deutlich stabiler und verleiht Wirkstoffen eine höhere biologische Halbwertszeit.
Erstmals ist es nun zwei Forschern gelungen, C-Nukleoside mithilfe von Enzymen biokatalytisch herzustellen. Die konkreten Ergebnisse legen sie aktuell in Nature Communications vor.
Bernd Nidetzky, Leiter des Instituts für Biotechnologie und Bioprozesstechnik der TU Graz und gleichzeitig Wissenschaftlicher Leiter des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und seine Kollegen entdeckten und charakterisierten in einer Studie das Enzym YeiN, das die beiden Nukleosid-Bausteine Ribose-5-phosphate und Uracil mittels einer spezifischen Kohlenstoff-Bindung verknüpfen kann.
Als weltweit erste Forscher zeigen sie damit ein Enzym, das ein geeigneter Biokatalysator für die Herstellung von C-Nukleosiden ist.
Die Grazer konnten mithilfe der katalytischen Kraft von YeiN mehrere Derivate des wichtigen C-Nukleoids Pseudouridin herstellen. Sie konnten zudem zeigen, dass eines dieser Derivate in RNA eingebaut werden kann und damit eine Modifizierung der RNA ermöglicht. Das ist für die Herstellung von RNA-basierten Therapeutika besonders relevant, da der Einbau von Pseudouridin in die RNA die Stabilität und Halbwertszeit erhöht und damit die Effektivität therapeutischer RNA, wie zum Beispiel eines Impfstoffes, verbessert.
„In unserer Studie zeigen wir, dass Pseudouridin biokatalytisch hergestellt werden kann. Im Vergleich zur rein chemischen Synthese ist das ein weit effizienterer Weg, da weniger Reaktionsschritte und keine toxischen Chemikalien nötig sind.“, sagt Nidetzky. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen kann nun an der Erweiterung des Substratspektrums von YeiN geforscht werden. Das Ziel: die biokatalytische Synthese weiterer relevanter C-Nukleoside.
Seit wenigen Tagen laufen in Großbritannien die ersten flächendeckenden Impfungen gegen COVID-19 mit RNA-Impfstoffen. Diese völlig neuartigen Impfstoffe enthalten Erbinformationen des Erregers und bringen Zellen dazu, ein Virusprotein zu erzeugen, das anschließend dem Immunsystem präsentiert wird. Die darauffolgende Immunreaktion schützt den Körper vor einer tatsächlichen Virusinfektion.
Ist man bereits mit dem Virus infiziert, können antivirale Medikamente eine Virusvermehrung verhindern. Der C-Nukleosid-basierte Wirkstoff Remdesivir hat diese notwendigen antiviralen Eigenschaften und wirkt gegen eine Reihe von RNA-Viren, darunter Corona- und Ebolaviren. Der Wirkstoff hat in der EU eine bedingte Zulassung zur Behandlung von COVID-19-Erkrankten erhalten.
Die biokatalytische Herstellung von C-Nukleosiden könnte diesem Hoffnungsträger sowie RNA-Impfstoffen auf Basis von C-Nukleosiden weiteren Rückenwind verschaffen.
Zur Originalpublikation kommt ihr hier.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der TU Graz.
Bildquelle: Daniel von Appen, unsplash