Was bisher für ein Abfallprodukt gehalten wurde, könnte bei der Immunantwort auf einen Schlaganfall eine wichtige Rolle spielen: tRNA-Fragmente. Experten erhoffen sich Ansatzpunkte für neue Therapeutika.
Ein Schlaganfall ist ein gravierender Eingriff in die Homöostase. Unter anderem löst das Immunsystem eine Entzündungsreaktion aus, die in eine Immunschwäche umschlagen kann. Ein internationales Forscherteam konnte jetzt erstmals zeigen, dass in dieser Immunantwort tRNA-Fragmente eine Rolle spielen. Fragmente von tRNAs, die während der Proteinsynthese Aminosäuren transportieren (transfer RNA), galten lange nur als Abfallprodukte in der Zelle. Ziel der Untersuchungen ist es, neue Zielstrukturen für Therapeutika zu finden.
Dr. Sebastian Lobentanzer untersucht an der Goethe-Universität schon länger die Dynamik kleiner RNAs in verschiedenen Kontexten mit Methoden der Bioinformatik. Die kleinen RNAs sind in jüngster Zeit vor allem wegen ihrer regulatorischen Eigenschaften für die Forscher immer interessanter geworden. Um ihre Funktion im Schlaganfall zu ergründen, untersuchte Lobentanzer zusammen mit Katarzyna Winek von der Hebrew University, Jerusalem, microRNAs und tRNA-Fragmente aus dem Blut von Schlaganfall-Patienten, die an einer Studie der Charité Berlin teilnahmen. „Bei tRNA-Fragmenten, die man bisher lediglich für Abfallprodukte der Aminosäure transportierenden tRNAs gehalten hat, mehren sich seit kurzem Hinweise auf eine biologische Funktion. Das hat uns natürlich interessiert“, erklärt der Pharmakologe.
Tatsächlich konnte das Forscherteam erstmals zeigen, dass tRNA-Fragmente in Monozyten an der Immunantwort nach einem Schlaganfall beteiligt sind. „Es könnte – vereinfacht gesagt – zu einer ‚Wachablösung’ kommen, bei der die tRNA-Fragmente die microRNAs in den Monozyten ersetzen“, erklärt Lobentanzer. „Bioinformatische Netzwerkanalysen zeigen, dass die beiden kleinen RNA-Spezies höchst unterschiedliche Rollen in der Immunregulation einnehmen, und deshalb an der Homöostase beteiligt sein könnten.“
Langfristig wollen die Forscher Therapeutika finden, die in diese Vorgänge regulierend eingreifen können. Denn wenn sich der Status der Immunität eines jeden Patienten nach einem Schlaganfall individuell bestimmen ließe, könnte man viele Komplikationen vermeiden.
Zur vollständigen Pressemitteilung der Goethe-Universität Frankfurt am Main geht es hier. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: madeleine ragsdale, Unsplash