Tumoren wachsen schneller, je mehr „Proteasome Maturation Proteins“ (POMP) sie besitzen. Ohne POMP werden Proteasomen nicht korrekt zusammengesetzt. Eine microRNA löst einen „Streik“ der proteasomalen Müllabfuhr aus und könnte so der Krebsvermeidung dienen.
Auf eine funktionierende Müllabfuhr sind auch einzelne Zellen angewiesen. Ihre Recycling-Tonne ist das Proteasom. In dem Proteinkomplex werden überschüssige Eiweißmoleküle der Zelle zerhackt, die Bausteine können neu verwendet werden. Bisherige Kenntnisse über die Mechanismen der zellulären Müllabfuhr werden bereits in der Krebstherapie genutzt, um Tumorzellen gezielt „zuzumüllen“. Dabei setzt man bislang auf „Sabotage“ und die Hilfe pharmakologischer Wirkstoffe, um das Proteasom in seiner Arbeit zu hemmen. Dass die Zelle sogar selbst über einen natürlichen Regulator der Proteasom-Funktion verfügt, hat nun ein internationales Forscherteam um Dr. Xin Zhang und Prof. Dr. Matthias Dobbelstein, beide Institut für Molekulare Onkologie der Universitätsmedizin Göttingen, entdeckt. Die Wissenschaftler identifizierten ein zelluläres Molekül, das einen regelrechten Streik der proteasomalen Müllabfuhr auslöst.
Der „Gewerkschaftsboss“ in dem zellulären Streikgeschehen ist die Ribonukleinsäure microRNA 101 (miR-101). Sie hemmt die Herstellung von „Proteasome Maturation Proteins“, die beim Zusammenbau der proteasomalen Recycling-Tonne helfen. Ohne POMP werden die Proteasomen allerdings nicht mehr korrekt zusammengesetzt. Die zelluläre Recycling-Maschinerie steht still. „Möglicherweise steckt ein Mechanismus dahinter, der die Entstehung von Krebs verhindern soll“, sagt Prof. Dobbelstein. Indizien für eine solche Annahme fanden die Forscher ebenfalls: Tumoren wachsen umso schneller, je weniger miR-101 und je mehr POMP sie haben.
Künstlich hergestellte Proteasom-Inhibitoren gibt es schon seit Jahren. Die nun vorgelegten Ergebnisse zeigen, dass die Natur längst etwas Ähnliches verwendet. miR-101 kann das zelluläre Recycling anpassen und stellt möglicherweise eine Art Notbremse dar, um Krebs zu verhindern. Eine klinische Anwendung der Ergebnisse ist derzeit noch nicht in Sicht. Die Göttinger Forscher sind aber zuversichtlich, dass die Arbeit helfen kann, neue Strategien zur Proteasom-Inhibition zu entwerfen. „Die Anhäufung von Eiweiß-Müll oder proteotoxischer Stress ist ein häufiges Phänomen in Krebszellen“, sagt Dobbelstein. „Diese Stressform sollten wir gezielt verstärken, um Tumorwachstum zu verhindern“. Originalpublikation: microRNA-101 Suppresses Tumor Cell Proliferation by Acting as an Endogenous Proteasome Inhibitor via Targeting the Proteasome Assembly Factor POMP Xin Zhang et al.; Molecular Cell, doi: 10.1016/j.molcel.2015.05.036; 2015