Eine der letzten analogen Bastionen der Ärzteschaft ist gefallen: Die monatliche Print-Ausgabe des Ärzteblatts ist Geschichte. Ein Beispiel von vielen, das zeigt: Widerstand ist zwecklos – die Digitalisierung ist längst da.
Erst war sie dünn, dann war sie ganz weg: Die monatliche M-Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes wird eingestellt. Allein die Idee mutet im Jahr 2020, zu Zeiten von SARS-CoV-2 und COVID-19, archaisch an: Zusammenstellungen der wichtigsten Artikel von vier Wochen in geruckter Form. Tag für Tag erscheinen neue, durchaus relevante Veröffentlichungen. Mehr als eine Bett- oder Toilettenlektüre war das Pamphlet sicher nicht. Dass es sich jahrzehntelang gehalten hat, zeigt, wie zumindest manche Ärzte beim Thema Digitalisierung ticken.
Bestes Beispiel ist die Telemedizin. Nach langem Zögern und nach kontroverser Diskussion hat der 121. Deutscher Ärztetag das Fernbehandlungsverbot gekippt. Doch gut gemeint ist noch lange nicht gut. „Welche Ärzte bieten eigentlich Videosprechstunden an? Bisher gibt es dazu nur wenige Informationen“, schreibt etwa das Bundesgesundheitsministerium.
„Wir möchten, dass Patientinnen und Patienten solche Ärzte leichter finden können. Darum dürfen Ärztinnen und Ärzte künftig auf ihrer Internetseite über solche Angebote informieren. Die Aufklärung für eine Videosprechstunde kann jetzt auch online, also im Rahmen der Videosprechstunde erfolgen – nicht mehr wie bisher im Vorfeld.“ Diese Passagen sind aus Jens Spahns Begründung zum Digitale-Versorgung-Gesetz.
Aber erst die SARS-CoV-2-Pandemie hat der Telemedizin zu mehr Schwung verholfen. Wächst der Druck, erkennen mehr Ärzte den Nutzen solcher Tools. Und nicht zu vergessen: Viele Trends aus Corona-Zeiten werden bleiben. Das Virus hat die Welt in jeglicher Hinsicht verändert.
Ähnlich lief die Sache mit digitalen Therapien ab. „Die Krankenkassen werden für solche Apps künftig viel Geld ausgeben, obwohl der Nutzen nicht ausreichend belegt ist“, sagte zum Beispiel KBV-Chef Dr. Andreas Gassen im Oktober. Kassen müssten etwa bei der Tinnitus-App im ersten Jahr alle Kosten übernehmen, egal ob die Anwendung etwas bringe oder nicht. Das stimmt zwar inhaltlich, zeigt aber die grundlegende Skepsis gegenüber Neuem. Innerhalb von zwölf Monaten müssen Hersteller Daten vorlegen. Das Verfahren erinnert in Grundzügen ans AMNOG-Verfahrens zur Bewertung neuer, aber nicht immer innovativer Therapien.
Genau dieses Denken müssen Ärzte auf digitale Therapien übertragen. Um bei besagter Tinnitus-App zu bleiben: Sie bildet kognitive Verhaltenstherapien digital ab. Europäische Leitlinien sehen in Face-to-Face-Verhaltenstherapien einen gangbaren Weg, während die Evidenz bei diversen Arzneistoffen schlecht ist. Nur fehlen Therapeuten – die Wartezeit auf eine Therapieplatz macht Tinnitus nur schlimmer. Warum also nicht mal etwas Neues wagen?
Hat sich eine Technologie aber erst einmal etabliert, fällt es vielen schwer, sich von ihr zu trennen. „Ärzte faxen am liebsten“, hieß es in 2017 auf Basis einer Umfrage. Faxe gelten als vermeintlich sicher und in so manchem Gesundheitsamt dienen sie noch bis heute der Informationsübertragung. Meine Nachfrage in zwei Apotheken hat gezeigt, dass Praxen Rezepte immer noch per Fax vorab verschicken, obwohl Hersteller von Apothekensoftware sichere Übertragungswege anbieten.
Mit dem E-Rezept wird sich das ab Januar 2022 ändern. Und bis 2023 soll es sich zumindest im öffentlichen Gesundheitsdienst ausgefaxt haben.
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