Es wird ernst. In den Impfzentren finden erste große Impf-Proben statt – Schauspiel-Einlagen inklusive. Einer der Studenten soll etwa einen Ohnmachtsanfall vortäuschen. Was dort genau passiert.
Die Vorstellung, nach den Online-Vorlesungen endlich mal wieder etwas mit „echten“ Menschen zu erleben, treibt mich mit Spannung und Vorfreude ins große Impfzentrum meiner Unistadt. Wir Medizinstudierenden wurden dazu aufgerufen, in die Rolle von Impflingen und medizinischem Personal zu schlüpfen, um den Ernstfall zu proben. Mit Abstand reihen wir uns vor dem Eingang auf, bekommen alles erklärt und starten erwartungsvoll in das Abenteuer Massenimpfung.
Als Impflinge bekommen wir einen Terminzettel mit QR-Code. Darauf steht das hypothetische Datum der Impfung: „COVID-19-Impfung: Ihr Termin am 05.01.2021 um 10:00 Uhr“. Es wirkt schon alles ziemlich konkret und durchdacht: Markierungen zur Einhaltung der AHA-Regeln wurden angebracht, Wege und Beschilderungen sind vorbereitet und das Personal ist instruiert. Das Ziel der heutigen Probe soll sein, die Abläufe in Echtzeit zu simulieren.
Nach der Überprüfung der Identität und dem obligatorischen Fiebermessen werden wir registriert. Das läuft unkompliziert mithilfe der Krankenkassenkarte, des Impfpasses und des Personalausweises ab. Daran schließt sich ein Bereich an, der dazu vorgesehen ist, Fragen rund um Impfstoff, Immunität oder mögliche Nebenwirkungen zu stellen. Ich stelle mich unwissend: „Was ist denn jetzt genau diese mRNA?“ Die Ärzte beantworten die Fragen souverän. Nach kurzem weiteren Anstehen befinde ich mich auch schon in einer der 20 Impfkabinen. Ein Arzt und eine Assistentin gehen nochmals die Impfaufklärung mit mir durch. Dann bekomme ich schauspielerisch eine Impfung in den Oberarm. Diesmal noch ohne Pieks.
Anschließend geht es in einen Beobachtungsbereich mit in großen Abständen aufgereihten Stühlen. Hier wird 30 Minuten lang fachkundig darauf geachtet, ob sich direkt nach der Impfung irgendwelche gesundheitlichen Folgen zeigen.
Manche Studierende haben eine besondere Rolle zugeteilt bekommen, etwa Personen, die ihren Ausweis vergessen oder die über wenig Deutschkenntnisse verfügen. Auch werden einige Personen in Rollstühlen befördert, um die Barrierefreiheit zu überprüfen. Dann simulieren wir Personen, die besonders viele Fragen haben, es sich kurz vor der eigentlichen Impfung doch anders überlegen und das Zentrum ungeimpft verlassen möchten. Um den weiteren Ablauf nicht zu verzögern, muss auch dies geprobt werden.
Einer der Studierenden soll einen Ohnmachtsanfall vortäuschen. Das Personal reagierte vorbildlich und innerhalb weniger Minuten ist der vermeintliche Patient versorgt. Mir fällt auf, dass die Kamerateams sich sofort geballt auf dieses Ereignis stürzen und jeder möglichst der erste sein will, um es abzulichten. Dabei schießt mir ein Gedanke durch den Kopf: „Hoffentlich werden solche Bilder im richtigen Kontext veröffentlicht und keine unbegründeten Ängste geschürt!“
Auch gibt es eine designierte Querdenkerin, deren Aufgabe darin besteht, mit dem Personal des Impfzentrums lautstark zu diskutieren. Mir fällt auf, dass auch hier die Kamerateams von Anfang an ein besonderes Interesse zeigen. Sie reichen der „Querdenkerin“ dafür sogar noch ein eigenes Mikrofon. Sie simuliert die Szene hier nur, gewinnt aber realitätskonform eine große mediale Aufmerksamkeit, auch im Probelauf. Was all die anderen, gut organisierten und durchdachten Abläufe angeht, ist von geringerem medialen Interesse.
Während der Simulation wird mir klar, dass dieses Unterfangen eine noch nie da gewesene Massenveranstaltung wird. Viele unterschiedliche Menschen werden zusammenarbeiten und logistische Meisterleistungen vollbringen müssen. Umso wichtiger ist es, die Abläufe im Voraus gut durchzuspielen und möglichst an alle Eventualitäten zu denken. Mit dem, aus meiner Sicht gelungenen Probedurchlauf, haben die Verantwortlichen gezeigt, wie strukturiert diese Mammutaufgabe angegangen wird. Vom Anstehen bis zum Verlassen des Impfzentrums habe ich etwa 1,5 h gebraucht. Die Probeimpfung trägt sicherlich dazu bei, den Ablauf noch weiter zu optimieren.
Ich wurde gefragt, ob ich als Helfer weiterhin zur Verfügung stehe. „Klar“, war meine Antwort. Ich freue mich schon darauf, wenn bei meinem nächsten Besuch im Impfzentrum der Pieks keine Simulation mehr sein wird.
Bildquelle: Ussam Azam, unsplash