„Ein und dieselbe Maske erfüllt je nach Auslegung der Prüfkriterien die Norm oder auch nicht.“ So lautet das Fazit eines Sachverständigers für Medizintechnik.
Aufgrund veralteter Normen herrsche aktuell ein Prüfchaos, sagt Dr. Roland Ballier. Er ist Sachverständiger für Medizintechnik: „Ein und dieselbe Maske erfüllt je nach Auslegung der Prüfkriterien die Norm oder auch nicht.“
Um die Qualität von Atemschutzmasken prüfen zu können, dienen bestimmte Normen als Bewertungsgrundlage. Unterschiedliche Prüfinstitute messen anhand dieser Normen verschiedene Maskenvarianten, dabei sollten die Ergebnisse immer vergleich- und übertragbar sein. „Tatsächlich ergeben sich bei Vergleich der Prüfergebnisse unterschiedlicher Zertifizierungsstellen aber erhebliche Unterschiede, obwohl in allen Fällen normgerecht gemessen wird“, so Ballier.
Er nennt dafür zwei zentrale Gründe. „Erstens erlauben die Normen das Prüfen mit unterschiedlich großen Testpartikeln und zweitens werden veraltete Messgeräte für die Messungen eingesetzt.“ Dabei sei der sogenannte Durchlassgrad (häufig auch als Abscheidegrad bezeichnet) als relevantester Prüfparameter zu definieren. Unter dem Durchlassgrad versteht man den maximalen Anteil an Testpartikeln, der die Maske durchdringen darf und beschreibt damit die Schutzwirkung eines MNS. Nach der Norm DIN EN 149 dürfen FFP2-Masken einen maximalen Durchlassgrad von 6 % aufweisen.
Die Filterleistung von Masken hänge stark von der Größe der Partikel ab, so die Erklärung. Große Partikel hält eine Maske in der Regel sehr gut ab, kleine in der Größe von Viren deutlich schlechter. Wie gut eine Maske im Test also abschneidet, hängt auch davon ab, mit welcher Partikelgröße getestet wird.
„Tatsächlich ist in der Norm EN 149 zur Größe der Öl-Testpartikel nur festgelegt, dass diese eine mittlere Größe zwischen 290 nm und 450 nm und eine bestimmte Größenverteilung (Standardabweichung) aufweisen müssen. Wer also beim Test Partikel mit mittlerer Größe von 290 nm verwendet, wird einen deutlich höheren Durchlass messen, wer eher die größeren Partikel verwendet, eine qualitativ deutlich bessere Maskenqualität bestimmen, obwohl die Norm in beiden Fällen eingehalten wird“, fasst der Medizintechniker zusammen.
Ein weiterer Punkt, den es kritisch zu bleuchten gelte, seien die Geräte, mit denen gemessen wird. Hier kämen unter anderem auch weniger optimale Methoden zum Einsatz, wie Ballier erklärt: „Die Prüfnormen DIN EN149 und GB2626 für Schutzmasken erlauben leider den Einsatz zwar preisgünstiger, jedoch veralteter Einkanal-Photometer zur Messung der Maskenqualität. Diese sind vergleichbar mit einem optischen Rauchmelder, berücksichtigen aber ebenfalls nicht die Abhängigkeit des Messergebnisses von der Partikelgröße.“ Die Folge: „Es wird ausschließlich ein kumulatives Lichtsignal ausgewertet, welches alle Signale, also diejenigen von kleineren und größeren Partikeln zusammenfasst und dabei die größeren Partikel wesentlich stärker gewichtet. Dies führt dann wiederum zu einer Fehlinterpretation der Maskenqualität, obwohl die Prüfung der Norm entspricht.“
Bei modernen Messverfahren mit hoher Auflösung können Anwender die Abhängigkeit der Penetration von der Partikelgröße messen. Dadurch werde deutlich, wie gravierend die Unterschiede im Messergebnis ausfallen können. „Bei entsprechenden Messreihen wurden jeweils Messergebnisse verglichen, die unter Verwendung der noch normgerechten kleinsten Partikel und solcher mit ebenfalls der Norm entsprechenden größten Partikel zustande kamen. Die Testergebnisse unterschieden sich dabei erheblich“, so der Experte.
Dies habe zur Folge, dass ein und dieselbe Maske bei zwei unterschiedlichen Messungen die Kriterien der Norm EN 149 ein Mal erfüllt und beim anderen Mal nicht – im zweiten Fall also keine Zulassung erhält.
Der Medizintechniker plädiert dafür, ausschließlich auf moderne Messverfahren zu setzen, die bereits bei der Prüfung von Filtern für Klimaanlagen oder für Feinstaubmessungen im Umweltschutz zum Einsatz kommen und zu eindeutigen und reproduzierbaren Ergebnissen führen. „Warum nicht längst eine Überarbeitung der Normen unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse vorgenommen wurde, bleibt ein Geheimnis“, kritisiert er.
Der Status Quo schaffe eine Reihe von Problemen: „Der Schaden, der aufgrund einer Anwendung der veralteten Normen resultiert, ist immens: Millionen Schutzmasken werden nicht zugelassen, sind nicht verkehrsfähig, importierende Firmen können sich nicht auf Messergebnisse verlassen, eine vergleichende Bewertung von Schutzmasken ist nicht möglich und der bestmögliche Schutz durch Kauf von Masken mit den besten Prüfergebnissen ist nicht gewährleistet.“
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