Die Corona-Pandemie wirkt sich negativ auf die Versorgung von Menschen mit chronischen Lebererkrankungen aus. Eine Auswertung zeigt: Lebensbedrohliche Komplikationen wurden während der Krise oft verspätet erkannt.
Die Corona-Pandemie stellt eine Belastung für die Gesundheitssysteme dar. Das wirkt sich auch negativ auf die Versorgung von Patienten mit chronischen Lebererkrankungen aus. Das belegen kürzlich publizierte Daten aus dem Deutschen Hepatitis C-Register (DHC-R) der Deutschen Leberstiftung. Um die bestmögliche Versorgung von Patienten mit einer Lebererkrankung in der Pandemie zu unterstützen, haben die EASL (European Association for the Study of the Liver) und die ESCMID (European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases) ein Positionspapier und – sechs Monate nach Beginn der Pandemie – eine Aktualisierung erarbeitet.
Die Deutsche Leberstiftung hat beide Publikationen, die Empfehlungen zur Betreuung von Patienten mit chronischen Leberkrankheiten enthalten, in deutscher Sprache herausgegeben (unter diesem Link ist das ursprüngliche Positonspapier und unter diesem Link das aktualisierte Positionspapier nachzulesen).
Um zu erfassen, ob und in welchem Umfang die Corona-Pandemie und daraus resultierende Einschränkungen die Versorgung von Patienten mit chronischen Lebererkrankungen beeinträchtigt, wurde im Deutschen Hepatitis C-Register vom 24. Juli bis zum 21. August 2020 eine Internet-basierte Umfrage durchgeführt, an der 64 Zentren aus dem Bundesgebiet teilnahmen.
Die Auswertung der so erfassten Daten zeigte, dass nur ein Drittel der teilnehmenden Zentren (32 Prozent) die Lebersprechstunde zwischen März und Mai 2020 unverändert fortgesetzt hatte. Über die Hälfte der Zentren (58 Prozent) hatte die Lebersprechstunde teilweise eingeschränkt und elf Prozent der Zentren ihre Lebersprechstunde vorübergehend eingestellt. Dabei ging mehr als die Hälfte der Terminabsagen von den Patienten aus (53 Prozent). Ab Juli 2020 kehrten alle Zentren zu ihrem üblichen Sprechstundenangebot zurück.
Ergänzend bzw. alternativ zur Lebersprechstunde wurden Elemente der Telemedizin genutzt: Etwa die Hälfte der Zentren (52 Prozent) richtete neue oder zusätzliche Sprechstunden per Telefon ein und 17 Prozent etablierten eine neue Videosprechstunde. Fast die Hälfte der Zentren (45 Prozent) bot keine neuen Möglichkeiten der Sprechstunde an.
Fast 80 Prozent der teilnehmenden Zentren gaben keine wesentliche Einschränkung der Patientenversorgung an. Allerdings wurde zwischen März und Mai 2020 bei deutlich weniger Patienten eine antivirale Therapie zur Behandlung der Hepatitis C begonnen als im gleichen Zeitraum 2019. Und etwa ein Fünftel der teilnehmenden Zentren (22 Prozent) gab an, dass die Dekompensation einer Leberzirrhose erst später als im Normalfall erkannt wurde. In 9,4 Prozent der Zentren wurde sogar Leberzellkrebs (HCC, Hepatozelluläres Karzinom) verzögert diagnostiziert.
„Wir können eindeutig feststellen, dass durch die Corona-Pandemie sowohl die Diagnostik als auch die Therapie und die Überwachung von chronischen Lebererkrankungen beeinträchtigt wurde“, fasst Dr. Dietrich Hüppe, wissenschaftlicher Leiter des Registers und Erstautor der Publikation, die Ergebnisse zusammen. „Glücklicherweise kam es nach Einschätzung der Mehrheit der Zentren mittel- und langfristig jedoch zu keiner Unterversorgung. Sorge bereitet uns aber, dass aufgrund der Pandemie-bedingten Einschränkungen gerade akut lebensbedrohliche Komplikationen wie die Dekompensation einer Leberzirrhose in erheblichem Maß verspätet erkannt wurden.“
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