Corona-Schutzimpfung: Wer ist wann dran? Diese Frage wird im Entwurf der neuen Impfverordnung beantwortet – zumindest in Teilen.
Da die Verfügbarkeit eines Impfstoffs gegen SARS-CoV-2 zunächst begrenzt sein wird, brauche es laut Gesundheitsministerium Auswahlentscheidungen. Solche finden sich nun im ersten Entwurf der neuen Impfverordnung, der unter anderem dem Handelsblatt vorliegt. Die Verordnung soll am 15. Dezember 2020 in Kraft treten.
Ihr liegt das Positionspapier von STIKO, Leopoldina und Ethikrat zugrunde, in dem Experten Kriterien für die Priorisierung von Corona-Impfstoffen vorschlagen. Wie aber gestaltet sich der Ablauf, welche Aufgaben sollen durch die Impfzentren abgedeckt werden, wie sieht es mit der Vergütung aus und die wichtigste Frage: Wer kommt zuerst dran? Gehen wir die wichtigsten Punkte aus dem Entwurf durch.
Als erstes sollen laut dem Dokument Personen dann eine Schutzimpfung erhalten, wenn sie:
Was die Beschäftigten mit Schlüsselstellung betrifft, ist hier das Personal in Apotheken, der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD), die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), aber auch die Bereiche Polizei, Feuerwehr und Justiz gemeint. Um wen es sich bei den Risikogruppen und Mitgliedern des Gesundheitswesen konkret handelt, solle ergänzt werden, sobald die Impfempfehlung der STIKO vorliegt.
Ein erster Entwurf wurde vor wenigen Stunden veröffentlicht: „Demnach werden zuerst Bewohnerinnen und Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen geimpft. Dazu erhalten Menschen über 80 Jahre die Vakzine, teilte das Bundesministerium für Gesundheit mit. Auch Menschen in Gesundheitsberufen werden den Impfstoff bevorzugt erhalten. Dazu zählt laut der Stiko-Liste Krankenhauspersonal mit hohem Expositionsrisiko, beispielsweise Menschen, die in einer Notaufnahme arbeiten“, wie unter anderem der Spiegel berichtet. „Auch Gesundheitspersonal, das mit Risikogruppen engen Kontakt pflegt, soll zuerst geimpft werden – das sind etwa Transplantationsmediziner, Pflegepersonal in der ambulanten Altenpflege oder Personal in Heimen mit Kontakt zu Bewohnern. Insgesamt geht die Stiko von ungefähr 8,6 Millionen Menschen aus, die zuerst den Impfstoff erhalten werden“, heißt es. Die endgültige Empfehlung folgt, sobald Stellungnahmen der Länder und von Experten eingeholt wurden. Darauf basierend wird das Bundesgesundheitsministerium eine Rechtsverordnung erstellen, mit der noch im Dezember zu rechnen ist.
Eine Reihenfolge wird nicht dezidiert angegeben, die Schlüsselpassage des Entwurfs lautet:
„Ein Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 besteht insbesondere zunächst für Personen, die aufgrund ihres Alters oder Gesundheitszustandes ein signifikant erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben, sowie für Personen, die solche Personen behandeln, betreuen oder pflegen. Als nachfolgende prioritär zu impfende Personengruppe haben insbesondere diejenigen Personen einen Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, die in zentralen Be-reichen der Daseinsvorsorge und für die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen eine Schlüsselstellung besitzen.“
An dieser Stelle hagelt es Kritik seitens des Deutschen Hausärzteverbands. „Was […] nicht sein kann, ist, dass die Politik sich erst davor drückt, klare Priorisierungsentscheidungen zu treffen“, heißt es im Pressestatement. Es werde „nun offenbar [ge]plant, diese Aufgabe quasi durch die Hintertür bei den Hausärztinnen und Hausärzten abzuladen.“
Während es hierzulande (noch) keine konkrete Reihung der priorisierten Gruppen gibt, haben beispielsweise die Centers of Disease Control and Prevention (CDC) in den USA eine klare Chronologie erstellt: Als erstes soll medizinisches Fachpersonal geimpft werden, dann erst sollen ältere Menschen und jene mit erhöhtem Risiko eine Corona-Schutzimpfung erhalten.
Die Terminvergabe soll über die Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116117 abgewickelt werden. Dafür entwickelt und betreibt die Kassenärztliche Bundesvereinigung ein „standardisiertes Modul zur telefonischen und digitalen Vereinbarung von Terminen in den Impfzentren.“ Einladungen werden also nicht zentral verteilt, stattdessen soll das Termintool allen Ländern zur Verfügung stehen – ein weiterer Punkt, der vom Deutschen Hausärzteverband kritisiert wird. „Seit Wochen appellieren wir an die Politik, ein bundeseinheitliches Einladungsverfahren für die Impfungen gegen Covid-19 zu etablieren, analog etwa zum Mammographie-Screening. Dass dieser Appell bislang ungehört geblieben ist, ist ein Schlag ins Gesicht der Kolleginnen und Kollegen im ambulanten Gesundheitssektor“, heißt es.
Für jede geimpfte Person soll ein Pseudonym angelegt werden. Mithilfe dieser pseudonymisiserten Datensätze erhalten RKI und Paul-Ehrlich-Institut Zufriff auf Informationen, womit eine systematische Überwachung gewährleistet werden soll.
Wer im Impfzentrum vorstellig wird, soll bevor es los geht über sieben Punkte informiert werden, die im Entwurf gelistet werden wie folgt:
Wer für die erste Impfrunde aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe oder aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in Frage kommt, sucht ein Impfzentrum auf. Nachzuweisen hat die Person dann laut Entwurf:
ihren Personalausweis oder Reisepass oder
ein ärztliches Zeugnis über das bei ihnen krankheitsbedingt erhöhte Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf in Bezug auf COVID-19
Bei beruflicher Indikation ist eine Bescheinigung des Arbeitgebers oder ein Tätigkeitsnachweis vorzulegen.
Niedergelassene Ärzte haben somit künftig die Aufgabe, Personen aus der Risikogruppe Bescheinigungen auszustellen, die ihren Anspruch auf eine Impfung belegen. Je nach Anspruchsberechtigtem beträgt die Vergütung der Arztpraxen je Bescheinigung pauschal 5 Euro.
Täglich werden Impfzentren dazu verpflichtet sein, bestimmte Angaben an das Robert-Koch-Institut zu übermitteln. Im Entwurf werden 10 Punkte gelistet:
Mit Normalität ist auch trotz bevorstehender Impfungen noch nicht zu rechnen, wie viele Experten warnen. „Grundsätzlich ist die Verfügbarkeit eines Impfstoffes sehr zu begrüßen. Ein Großteil der Bevölkerung sieht das so. Impfen wird aber die aktuellen Probleme nicht sofort lösen. Denn einmal benötigt die Impfung Zeit, bis sie voll wirksam ist. Auch wird ja wenigstens eine Zweitimpfung erforderlich. Die Dauer dieser Latenzzeit bis zum Bestehen eines umfassenden Schutzes ist noch nicht sicher abzuschätzen“, sagt etwa Dr. Helmut Frohnhofen. Er ist Vorsitzender der Sektion II der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG).Die Priorisierung, wie sie im Entwurf vorgesehen ist, hält er für „absolut richtig und zu befürworten“.
Allerdings müsse dabei immer berücksichtigt werden, wie gut sich der Einzelne jeweils vor einer Infektion schützen kann. Dieses Risiko sei auch im Gesundheitswesen unterschiedlich groß. „Gerade diejenigen, die in engem Kontakt Kranke Pflegen oder Behandeln und durch diesen längeren Kontakt das höchste Risiko tragen, sollten zuerst geimpft werden. Dazu gehören in aller erster Linen die Pflegekräfte in Pflegeheinem, Krankenhäusern – besonders den Intensivstationen – und bei den ambulanten Pflegediensten. Aber auch ältere Menschen in Einrichtungen oder zu Hause“, so der Experte. „Dann kommen die weiteren Mitarbeiter im Gesundheitswesen (Ärzte, Therapeuten) und Menschen in der Öffentlichkeit mit häufigen Personenkontakten (z.B. Polizei, Feuerwehr, Lehrpersonen).“
Abgesehen von der Frage, wie bzw. wie gut die geplante Impfoffensive letztendlich umgesetzt wird, ist noch eine andere Frage entscheidend: Wie viele Menschen machen überhaupt mit? Laut COVID-19 Snapshot Monitoring von COSMO sank die Impfbereitschaft seit April stetig von 70 Prozent auf 50 Prozent Anfang Dezember. Fest steht: Die Verfügbarkeit eines Impfstoffes ist ein Erfolg. Doch sie wird nicht zu einer sofortigen Beendigung der Hygienemaßnahmen führen.
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