Seit zwei Jahren leidet eine junge Frau an Anosmie. Sie war bereits mehrfach wegen Nasenpolypen in Behandlung. Doch zudem plagen sie einige weitere Beschwerden: Erschöpfung, Rückenschmerzen, Ängstlichkeit und Aggressivität. Wie kommt diese merkwürdige Konstellation zustande?
Eine 26-Jährige stellt sich in der HNO-Abteilung vor, denn seit etwa 2 Jahren ist ihre Geruchswahrnehmung stark gemindert. Sie hat bereits zwei funktionelle endoskopische Nasennebenhöhlenoperationen hinter sich - eine vor 6 und eine vor 3 Jahren -, da jedes Mal Nasenpolypen festgestellt wurden. Sie gibt an auf bestimmte Stoffe wie Staub und Parfüm besonders empfindlich zu reagieren, aber auch Wetterumschwünge machen ihr zu schaffen.
Zudem fühlt sich die junge Frau seit einiger Zeit extrem müde: Selbst wenn sie mehr als 10 Stunden pro Tag schlafe, sei sie nach leichter körperlicher Aktivität sofort erschöpft und müde. Und noch weitere Beschwerden plagen sie, denn sie hat immer wieder Schmerzen im unteren Rückenbereich, die sie sich weder durch ein Trauma noch als Folge körperlicher Aktivität erklären kann. Sie war deswegen bereits in orthopädischer Behandlung und eine lumbosakrale Magnetresonanztomographie wurde durchgeführt - doch diese lieferte ebenfalls keine Erklärung für die Schmerzen. Doch damit nicht genug, denn noch etwas belastet die junge Frau. Sie ist sehr ängstlich und oftmals ungewöhnlich aggressiv - eine psychiatrische Vorgeschichte ist allerdings nicht bekannt.
Sie macht regelmäßig Ausdauersport, raucht nicht und trinkt keinen Alkohol. Sie sieht gesund aus - ist weder blass noch gelbsüchtig. Ihre Vitalparameter sind ebenfalls unauffällig. Sämtliche körperliche Untersuchungen liefern keinen Hinweis, woher die Beschwerden kommen könnten. Auch die Labortests sind allesamt normal. Einzig auffällig sind in der Computertomographie bilaterale Nasenpolypen und eine Nasennebenhöhlenentzündung. Daher entscheiden sich die Ärzte erneut für eine Nasennebenhöhlenoperation zur Entfernung der Polypen. Anschließend nimmt die Patientin 6 Wochen lang Nasensteroide. Damit müssten zumindest die Beschwerden der Nase verschwinden.
Doch seltsamerweise bessert sich die Anosmie nicht, obwohl die Bildgebung der Nase nun unauffällig ist. Die Ärzte haben einen Verdacht - möglicherweise waren die Polypen nicht das Hauptproblem der Patientin. Sie führen ein paar weitere Labortests durch, und tatsächlich: der Vitamin-D-Spiegel der Patientin ist erniedrigt. Sie verschreiben ihr ein Vitamin-D-Präparat, geben ihr einige Ratschläge zur Ernährung und empfehlen ihr, dreimal wöchentlich für 20 Minuten Sonne zu tanken. Nach 6 Monaten ist der Vitamin-D-Spiegel wieder auf einem normalen Level. Doch was machen die Beschwerden der Patientin? Sie gibt an, symptomfrei zu sein und habe auch ihre körperliche Aktivität wieder deutlich steigern können.
Text- und Bildquelle: Ibrahim et al. / Journal of Medical Case Reports