Die Lebensqualität von Patienten mit Clusterkopfschmerzen ist stark eingeschränkt. Eine Studie legt nun einen Evidenznachweis für die Wirksamkeit von Prednison in der Therapie vor.
Der Clusterkopfschmerz ist der häufigste Typ der trigeminoautonomen Kopfschmerzen. Etwa 75 % der Betroffenen sind Männer. Die Schmerzen treten anfallsartig mit hoher Intensität im Bereich des Trigeminusnervs auf und beschränken sich auf eine Seite des Gesichtes. Als Begleitsymptome sind Lakrimation, Ptosis, Rhinorrhoe und z. T. auch nasale Kongestion bekannt. Jede Attacke kann zwischen 15 und 180 Minuten dauern, innerhalb einer Clusterepisode kann es zu bis zu acht Attacken pro Tag kommen. Clusterkopfschmerzepisoden bestehen oft über mehrere Wochen oder Monate, dann folgt ein schmerzfreies Intervall, das ein Vierteljahr bis mehrere Jahre andauern kann.
Clusterkopfschmerzen schränken durch die hohe Intensität der Schmerzen die Lebensqualität der Betroffenen massiv ein. Als Akutmedikamente zur Attackenkupierung haben sich die Inhalation von reinem Sauerstoff sowie Triptane etabliert. Zur Prophylaxe von Clusterkopfschmerz-Attacken empfehlen die Leitlinien den Einsatz von Verapamil. Auch Lithium kann zur Anwendung kommen, allerdings gibt es dazu keine randomisierten Daten. Kortikoide werden häufig als Kurzzeit-Prophylaxe eingesetzt, um die Zeit bis zum Wirkeintritt der Prophylaxe zu überbrücken, obwohl die Datenlage auch hier unzureichend ist.
„Wir sehen in der Praxis aber durchaus Therapieerfolge durch Kortikoide“, erklärt Prof. Mark Obermann, Direktor des Zentrums für Neurologie, Asklepios Kliniken Seesen. „Der Pathomechanismus des Clusterkopfschmerzes ist noch nicht abschließend geklärt. Wir haben es uns daher zur Aufgabe gemacht, die Datenlage zu verbessern und eine randomisierte, doppelverblindete, placebokontrollierte Studie durchgeführt.“
Insgesamt wurden 116 Patienten randomisiert, 57 Patienten erhielten Prednison (100 mg oral in den ersten fünf Tagen, dann Dosis um 20 mg alle drei Tage reduziert), 59 Patienten erhielten ein Placebo. Die Randomisierung erfolgte computergestützt, stratifiziert wurde nach Alter, Geschlecht und Studienzentrum; die Patientencharakteristika waren in beiden Studienarmen sehr ähnlich. Alle Patienten – sowohl in der Placebo- wie in der Verumgruppe – erhielten zur Basisprophylaxe Verapamil (beginnend mit 3x tägl. 40 mg, Dosis bis auf 120 mg 3x tägl. hochtitriert, blieb dann über restlichen Studienverlauf stabil). Die Studie lief insgesamt über 28 Tage, primärer Endpunkt war der Vergleich der mittleren Anzahl der Kopfschmerzattacken in der ersten Behandlungswoche.
Im Ergebnis zeigte sich, dass Prednison überlegen war. Die Studienteilnehmer, die in die Verumgruppe randomisiert worden waren, erlitten im Durchschnitt 7,1 Kopfschmerzattacken in der ersten Behandlungswoche, die Patienten in der Placebogruppe 9,5. Der Unterschied betrug -2,4 Attacken und war damit signifikant (p = 0,002). Bei einem Drittel der Studienteilnehmer, die Prednison erhalten hatten, endeten die Kopfschmerzanfälle nach einer Woche sogar vollständig, die Hälfte der Patienten berichtete über eine Halbierung der Kopfschmerzattacken, während sich bei nur etwa 15 % der Placebogruppe ein solcher Therapieerfolg einstellte.
Die Patienten der Verumgruppe hatten außerdem auch weniger Kopfschmerztage, es reduzierte sich also nicht nur die Anzahl der Einzelattacken, sondern die Betroffenen profitierten auch von mehr kopfschmerzfreien Tagen. Der Therapieeffekt hielt etwa vier Wochen an, dann gab es kaum noch einen Unterschied zwischen den Gruppen, was die Studienautoren vor allem damit erklären, dass in beiden Therapiearmen die Langzeiteffekte von Verapamil zum Tragen kamen.
Erfreulich war darüber hinaus auch das günstige Nebenwirkungsprofil: Nur bei zwei Studienteilnehmern der Placebogruppe traten ernste Nebenwirkungen auf. Insgesamt unterschied sich die Nebenwirkungsrate zwischen den beiden Studiengruppen nicht. „Die Therapie erwies sich also nicht nur als effektiv, sondern auch als sicher“, schlussfolgert Obermann. Als Erstautor weist er allerdings auch auf eine Schwäche der Studie hin: Aufgrund der schleppenden Rekrutierung musste die Studie vorzeitig abgebrochen werden. Einen naheliegenden Grund sieht Obermann darin, dass viele Patienten im klinischen Alltag bereits erfolgreich mit Kortikoiden behandelt werden und Sorge hatten, in die Placebogruppe randomisiert zu werden.
„Das ist ein gängiges Problem von RCTs, die einen Wirksamkeitsnachweis von Therapien erbringen möchten, die sich bereits in der Praxis etabliert haben“, erklärt Prof. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Gerade in der Schmerzmedizin ist es schwer, Betroffene von der Teilnahme an einer Studie zu überzeugen, wenn das für sie das Risiko beinhaltet, dass sich die Zahl der Schmerztage und -attacken erhöhen kann. Kaum ein Patient nimmt das freiwillig in Kauf. Die Wissenschaft ist dann grundsätzlich in einem Dilemma und kann oft keinen Evidenznachweis für etablierte Therapien erbringen. […] Doch obwohl in dieser aktuellen Studie nicht die geplante Teilnehmerzahl erreicht werden konnte, halten wir die erreichte Zahl für repräsentativ und gehen von einem validen Studienergebnis aus.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Vinicius "amnx" Amano, Unsplash