Nach dem Referendum in Griechenland nähern sich die Kontrahenten wieder an. Trotzdem werden Arzneimittel knapp. Anstatt Betroffenen zu helfen, wollen Verbände hellenische Firmen mit einem Exportverbot beglücken. Wer versucht, hier Eigeninteressen zu sichern?
Nachdem Griechenlands Bürger sich mit ihrem „OXI“ klar gegen Finanzierungsangebote und Reformauflagen internationaler Geldgeber entschieden haben, gab die Regierung grünes Licht, das Votum auch umzusetzen. Alexis Tsipras rechnet fest mit weiteren Überbrückungskrediten, muss aber Federn lassen. Zumindest mutet er in seinem kürzlich veröffentlichten, 13-seitigen Sparpaket Apothekern keine weiteren Kürzungen mehr zu. Der griechische Ministerpräsident will jedoch Medikamentenpreise bei nicht patentgeschützten Präparaten deckeln. Er setzt auf Wirkstoffverordnungen und auf die Apothekenpflicht von OTCs. Am Sinn seiner Maßnahmen scheiden sich die Geister – schlimmer könnte die Versorgungslage ohnehin kaum werden.
Apotheker und Ärzte greifen in der Zwischenzeit zu unkonventionellen Maßnahmen. Viele Gerätschaften der Metropolitan Community Clinic bei Athen stammen von Ärzten, die ihre Praxis schließen mussten oder in Rente gehen. Medikamente kommen als Sachspende aus anderen Ländern. Darüber hinaus bringen Angehörige verstorbener Patienten Packungen vorbei, um den Lebenden zu helfen. Die Vorräte reichen noch wenige Wochen – aufgrund steigender Patientenzahlen vielleicht kürzer. Wie ein Arzt berichtet, teilen sich mehrere Patienten eine Chemotherapie. Er sehe hier Tumoren, die ansonsten nur noch im Lehrbuch vorkämen.
Grund genug für die Panhellenic Pharmaceutical Association (PFS), einen Notruf an die europäische Dachorganisation PGEU (Pharmaceutical Group of the European Union) abzusenden. Patienten fehle Bargeld, und der Kollaps drohe, schreiben PFS-Funktionäre. Das Gesundheitsministerium sei nicht vorbereitet, Medikamente beziehungsweise Rohstoffe für Pharmaka in das Land zu bringen. Seitdem Banken kaum noch Geldtransaktionen durchführen, gelingt es Großhändlern immer seltener, Präparate auf dem internationalen Markt zu ergattern. Jurate Svarcaite, designierte Generalsekretärin der PGEU, steht vor großen Herausforderungen. Sie ist auf Partner wie Deutschland angewiesen.
Das sehen Poilitiker im Bundestag ähnlich. SPD-Vize Karl Lauterbach sagte, zunächst müsse man die Arzneimittelversorgung sicherstellen. Es sei ganz klar, dass ein Pharmakonzern kein Wirtschaftsunternehmen wie ein Autohersteller sei. Hohe Preise wie in den USA oder Deutschland könnten nicht für ein armes Land wie Griechenland gelten. Lauterbach: „Die Politik muss sich dringend engagieren. Wir werden mit den Arzneimittelfirmen und dem Spitzenverband der Krankenkassen in Kontakt treten und versuchen, eine konzertierte Aktion auf den Weg zu bringen.“ Dazu könnte auch gehören, vergünstigte Arzneimittel zu deutschen Einkaufspreisen auf den griechischen Markt zu bringen. Rückendeckung erhält Lauterbach von Konzernen. „Die forschenden Arzneimittelhersteller sind sich ihrer Verantwortung für Patienten bewusst und garantieren trotz aller Unklarheiten und Zahlungsausfälle der Vergangenheit weiter die Lieferung von Medikamenten nach Griechenland“, so vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer. Bleibt als Haken: „Arzneimittel, die die forschenden Pharma-Unternehmen weiterhin liefern, müssen auch tatsächlich bei den griechischen Patienten ankommen.“ Fischer fordert deshalb ein Exportverbot für Medikamente aus Griechenland heraus. Es dürfe, so die vfa-Hauptgeschäftsführerin, nicht für Großhändler und Exporteure interessant werden, Preisschwankungen auszunutzen und Medikamente aus Griechenland heraus in andere europäische Staaten zu exportieren, statt die lokale Bevölkerung zu versorgen. Gleichzeitig fordert der Verband, jegliche Preisreferenzierung auf Griechenland in Deutschland auszusetzen – mit sofortiger Wirkung. Die Sorge dahinter: Ausnahmeartige Zustände bei den Hellenen könnten eine europaweite Preisspirale nach unten lostreten.
Kritik kommt wenig überraschend vom Verband der Arzneimittelimporteure Deutschlands (VAD). Verbandsangaben zufolge sei das vom vfa geforderte generelle Exportverbot „ein Versuch, mit einem Hilfsprogramm die eigenen wirtschaftlichen Interessen zu sichern“. Gleichzeitig würde der Ausschluss von Griechenland aus dem Referenzpreissystem zu höheren Preisen in vielen anderen europäischen Ländern führen. Ohnehin sei ein generelles Exportverbot für Arzneimittel aus Griechenland europarechtlich nicht haltbar, weiß der VAD. Irene Markaki, Präsidentin des griechischen Großhandelsverbands, führt Arzneimittelengpässe auf die defizitäre staatliche Gesundheitskasse, die restriktive Belieferung durch die Hersteller sowie die schlechten Zahlungsbedingungen für Großhändler und Apotheker zurück, jedoch nicht auf Exporte. Wenn der vfa also Griechenland helfen wollte, dann möge er bei seinen Mitgliedsfirmen um nachsichtigere Zahlungsziele für griechische Kunden werben, resümieren Arzneimittelimporteure. Anstatt Patienten in Griechenland schnell zu helfen, verstricken sich Verbände lieber in Diskussionen, die von Eigeninteressen geprägt sind.