Warum Tumoren nach einer erfolgreichen Behandlung Jahre später wieder auftauchen, ist unklar. Jetzt berichten Forscher über einen Mechanismus, der schlafende Krebszellen wieder aufweckt.
Tumoren können nach einer erfolgreichen Behandlung Monate oder Jahre später wieder auftauchen – manchmal in noch aggressiverer Form. Schuld daran sind vermutlich unentdeckte schlafende Krebszellen. Doch warum sie wieder aufwachen, bereitet Forschern nach wie vor Kopfzerbrechen. Jetzt berichten Wissenschaftler in Science Translational Medicine über einen möglichen Mechanismus.
Ein Team aus Molekularbiologen, Onkologen und Immunlogen zeigt in einer neuen Studie, wie die Freisetzung von Stresshormonen über eine Reihe von Ereignissen ruhende Krebszellen reaktiviert. Dabei spielt das Immunsystem eine tragende Rolle.
Und so könnte es ablaufen: Stress führt zu erhöhten Serumleveln des Stresshormons Noradrenalin. Das aktiviert Granulozyten, die proinflammatorische S100A8/A9-Proteine freisetzen. Das wiederum bewirkt, dass Granulozyten spezielle Lipide freisetzen, die schlafende Tumorzellen aktivieren.
Das haben die Autoren mithilfe eines Mausmodells herausgefunden. Bei Mäusen haben die Wissenschaftler zudem untersucht, was passiert, wenn die Freisetzung von Noradrenalin unterdrückt wird. Dazu eignen sich zum Beispiel Beta-Blocker, die die Wirkung des Hormons kompetitiv hemmen. In Mäusen, denen das Medikament verabreicht wurde, konnten die Forscher keine reaktivierten Tumorzellen ausfindig machen.
Die Wissenschaflter haben auch Hinweise darauf gefunden, dass der Prozess der Reaktivierung auch bei menschlichen Patienten stattfinden könnte. Das Team untersuchte dazu 80 Lungenkrebspatienten, die zur Behandlung ihrer Krankheit operiert worden waren. Bei 17 Patienten kehrte der Tumor innerhalb von drei Jahren zurück. Im Vergleich zu den 63 Patienten, deren Krebs später oder gar nicht wieder auftrat, wiesen die 17 Patienten mit frühem Rezidiv höhere Konzentrationen der S100A8/A9-Proteine, die auf aktivierte Granulozyten hinweisen.
Sollte sich in weiterführenden Studien die Ergebnisse bestätigen lassen, könnte das „Überwachen des Stresshormon-Spiegels Teil der Krebstherapie werden“, sagt Michela Perego in einem Interview mit STAT-News. Sie ist Molekularbiologin am Wistar-Institut in Philadelphia und Hauptautorin der Studie.
Sie macht aber auch deutlich: „Stress allein aktiviert die ruhenden Tumorzellen nicht. Man braucht Stresshormone und Neutrophile, die gleichzeitig aktiviert sein müssen und Lipide produzieren, die Tumorzellen aktivieren.“ Sie und ihr Team wollen nun herausfinden, welche anderen Stresshormone beim Wecken schlafender Krebszellen eine Rolle spielen könnten.
Bildquelle: National Cancer Institute, unsplash