Kein individueller Vorteil durch das Tragen einer Maske – diesen Schluss zogen viele aus einer kürzlich veröffentlichten Corona-Studie. Warum das ein Trugschluss ist und was tatsächlich herausgefunden wurde.
Vor Kurzem ist eine Studie erschienen, die in uninformierten Kreisen und bei den – pardon my french – Querdenker-VollidiotInnen zu Freude geführt hat, weil ihr confirmation bias hier scheinbar bestätigt werden konnte. In DANMASK–19 konnte nämlich kein individueller Vorteil für das Tragen einer Maske gefunden werden. Warum das der falsche Schluss ist, was wirklich herausgefunden wurde und warum diese Studie wichtig ist, soll hier einmal zusammengefasst werden.
Konsequentes Tragen von Masken kann ja nachweislich die Übertragung von Viren und Keimen reduzieren. Das basiert auf relativ einfachen Prinzipien, nämlich zum einen als physikalische Barriere und zum anderen durch eine Reduktion von Tröpfchen bzw. Aersolen. Mittlerweile ist das für bestimmte Situationen und Erkrankungen relativ gut untersucht, und zusammen (!) mit anderen Hygienemaßnahmen eine unserer Grundpfeiler der Hygiene in Pandemiezeiten. Das hat unter anderem dazu geführt, dass die Influenza-Saison der Südhalbkugel (die in unserem Sommer auftritt, weil da ja dann Winter ist) in diesem Jahr ausgefallen ist. Graphisch schön ausgearbeitet bei scientific american, basierend auf den Original-Daten der WHO aus dem Global Influenza Program. Bei SARS CoV-2 wird ebenfalls davon ausgegangen, dass wir durch konsequentes Maskentragen die Übertragungsrate reduzieren können. Und das hat sich diese Studie jetzt genauer angeschaut. Oder zumindest versucht.
Um das noch mal auf den Punkt zu formulieren: Es wurde untersucht, ob die Bereitstellung/Zusendung von OP-Masken in einer „Niedrigrisiko-SARS-CoV2“ Situation (zu dem Zeitpunkt waren die Infektionszahlen deutlich rückläufig) eine Person selbst (und eben nicht andere!) schützen kann, und zwar mit Risikoreduktion von mindestens 50 % und bei Eigenangabe zur Compliance. Bei einem Konfidenzintervall, das sowohl 46 % Reduktion als auch 23 % Anstieg im Bereich des Möglichen hat, und wo nur 46 % der ProbandInnen regelmäßig die Maske getragen haben (nochmal: nach eigenen Angaben).
Ok, das klingt schon ganz anders als die lauten Schreie, dass Masken nichts bringen. Und das ist natürlich auch einer der Hauptkritikpunkte an dieser Studie, es wird eine Lösung für eine Frage suggeriert, die diese Studie überhaupt nicht stellt. Und damit auch nicht beantworten kann.
Aber es gibt noch einige andere Limitationen:
Fazit: Komplexes Thema, und die Studie macht es nicht einfacher. Vor allem, weil diese Studie falsch interpretiert und besonders von Gegnern unkorrekt angewendet wird. Aber sie zeigt vor allem auch eins: Auch kritische und nicht so simple Ergebnisse und Studien können und werden publiziert. Und dann gemeinsam bewertet. Nicht immer einfach – weil, sind wir ehrlich, eine höhere Reduktion wäre uns allen lieber gewesen – aber in jedem Fall bringen sie uns weiter. Und auch wenn es zu Recht Kritik gab (alleine das Konfidenzintervall!), finde ich es schade, dass die Autoren Probleme hatten, das unterzubringen.
Nichtsdestotrotz ist die inhaltliche Auseinandersetzung entscheidend und da gibt es noch ein paar Punkte zu berücksichtigen. In der Studie wurde postuliert, dass die Maske eine Risikoreduktion von 50 % für eine SARS-CoV2-Infektion erreichen könnte, und das ist sehr vorsichtig ausgedrückt eine sportliche Aussage. Eine einzige Maßnahme in so einer Situation mit 50-prozentiger Risikoreduktion wäre schon ein ziemlicher 6er im Lotto mit Zusatzzahl. Dass in dieser Situation das Schweizer Käsemodell viel besser die Realität darstellt, gibt diese Grafik wieder:
Dann zu erwarten und die Studie dafür zu powern, dass Masken in diesem Setting (Schutz des Trägers, nicht des Gegenübers) so effektiv sind, ist natürlich nicht so richtig sinnvoll.
Hier hilft ein Gedankenmodell: wenn ich in Thüringen mit 750 HIV-positiven Menschen und 45 Neuansteckungen im Jahr den Nutzen von Kondomen randomisiert nachweisen will, dann brauche ich da bei 2.125.406 Einwohnern ziemlich viele Leute, um einen Effekt erkennen zu können. Und das ist jetzt sehr vereinfacht erklärt. Denn es gibt noch viele weitere Faktoren, die da mit rein spielen. Viel besser, aber auf englisch, hat das Josh Farkas auf seinem Blog für Händewaschen und gastrointestinale Infekte vorgerechnet.
Und jetzt geht es in dieser Studie nicht um so was einfaches und singuläres wie Händewaschen oder Kondome (und sind wir mal ehrlich, obwohl der Nutzen eindeutig nachgewiesen ist und man eine Risikoreduktion auf nahe 0 bekommt, ist die Compliance dabei eine Katastrophe, schauen wir nur mal auf Stealthing), sondern eben auch nicht um das Tragen von Mundschutz.
Ja, noch mal konkret: In dieser Studie wurde nicht untersucht, ob Mundschutz schützt, sondern ob das Zusenden von einer Monatsration an Mundnaseschutz mit der mündlichen Abfrage der Compliance, die dann unter 50 % liegt, als Public Health Intervention vor SARS-CoV-2 Infektionen schützen könnte. Auch wenn das jetzt völlig absurd klingt, das ist gar nicht so schlecht als Fragestellung (bei aller Kritik an der Studie). Wir wollen ja am Ende hinterher wissen, was im Real life raus kommt, und nicht, ob Surrogatparameter funktionieren. Weil wir eben wissen, dass Kondome schützen, aber die eingeschränkte Compliance mit einberechnet werden muss. Und damit bleiben konsequenterweise zwei Sachen übrig:
Erstens, diese Studie kann gar keine Aussage zum Eigenschutz durch Mundnasebedeckung machen. Und zweitens, Interventionen in Public Health sind nicht so einfach, wenn nicht viele mitmachen. Oder wie es Prof. Drosten schon so schön mehrfach betont hat: There is no glory in prevention.
Die Studie findet ihr hier. Und wer unsere Zusammenfassung weiter verteilen möchte, findet sie im grauen Infokasten.
Bildquelle: United Nations COVID-19 Response, unsplash