Diese Sprechstunde ist erstaunlich ruhig. Da hab ich wenigstens genug Zeit, mir mal wieder in Ruhe Sorgen um Corona, Kinder, Frau und – ganz aktuell – Weihnachten zu machen.
Ich drifte so durch die Sprechstunde, aktuell ist es eher entspannt und ruhig, keine Ahnung warum, weil sich vielleicht keiner traut, in die Praxis zu kommen, oder weil alle eher gesund sind dank Masken und Händewaschen, oder weil meine fMFA einfach verdammt gute Arbeit am Telefon machen und beraten. Vielleicht hat Corona genau diesen Effekt: Nicht mehr alles andere so schwer nehmen, nicht jedes kleine Wehwehchen in die Praxis tragen. Kleine Hoffnungen.
Es bleiben die Routinen übrig: Impfungen, Vorsorgeuntersuchungen. Klar, Abstriche machen wir auch, meist vorsorglich, manchmal gezielt nach Kontakt, weil das Gesundheitsamt beauftragt, manchmal zur Beruhigung. Die wenigen Positiven waren nicht wirklich krank und immer hatten sie bereits Kontakt gehabt zu einem anderen positiven Menschen. Rausgefischt über Symptome haben wir bisher noch kein Kind und keinen Jugendlichen.
Ich mache mir keine großen Gedanken über die Schutzmaßnahmen an den Schulen. So, wie es gerade läuft, geht es doch ganz gut. Schwere Verläufe bei jungen Menschen sind auch in großen Kohorten sehr selten, an dieser Einsicht hat sich nach einem Dreivierteljahr Corona nichts geändert. Sorgen machen mir eher die Sozialkontakte kleiner Kinder oder die Bildungslücken, die für manche schlechten Schüler durch die unzureichende Beschulung entstehen. Denn sind wir mal ehrlich: Die meisten Schulen haben ihre Hausaufgaben über die Sommerzeit nicht erledigt.
Die Digitalisierung hätte durch Homeschooling einen echten Booster erleben können, aber realiter starten die Schulen anscheinend bei jeder Quarantäne einer einzelnen Klasse neu. Aber bin ich Pädagoge? Also bleibt die Gesamthoffnung auf die kommenden Impfstoffe, alle Welt beschäftigt sich gerade mit der Logistik, dem Verteilungsschlüssel und der Suche nach dem Personal zum Impfen. Bei uns gab es noch keine Anfragen, vielleicht, weil Kinder vermutlich nicht in der ersten Impfwelle geimpft werden.
Noch eine Welle. Noch ein Aufbäumen. Bei der besten Ehefrau von allen in der Akutversorgung im Krankenhaus ist hingegen die zweite Welle schon wieder über dem Personal zusammengeschwappt, die Intensivbetten voll, die Röntgenabteilungen am Limit in der Diagnostik, die MitarbeiterInnen dezimiert und desillusioniert. Wären sie nicht wie die Frösche im langsam kochenden Wasser seit dem Frühjahr schrittweise vorbereitet gewesen, es würde sie härter treffen als noch vor Monaten. Lethargie und Resignation über die „Situation, wie sie nun mal gerade ist“ hat sich breitgemacht.
Da diskutieren wir doch lieber noch ein wenig über das kommende Weihnachtsfest. Kopfschütteln bei KrankenhausmitarbeiterInnen und Gelächter im Querdenkerlager. Zehn Menschen zusammen, Kinder nicht mitgerechnet. Bei einer Durchschnittsfamilie von zwei Kindern und Eltern dürfen da schon einmal dreißig Leute zusammenkommen. Und am nächsten Tag vielleicht die nächsten dreißig. Wenigstens böllern wir eine Woche später das Jahr 2020 weg. Soviel Protest und Ignorieren des Appells der Bundesregierung muss schon sein. Wenn nicht dieses Jahr, wann dann?
Gar nicht, muß die Antwort sein. Die Haustiere würden es euch danken. Und die KünstlerInnen auch, denen wir das gesparte Geld spenden könnten. Oder den Flüchtlingen in Moria, die sicher auch das härteste Weihnachten seit Kriegsende erleben.
Assoziationsabschweifungsverwirrungen. Ende.
Bildquelle: Annie Spratt, unsplash