Besonders für Schulen wird der Einsatz von Luftfiltern diskutiert. Sind solche Geräte dort sinnvoll? Ja, sagt ein Experte – auch wenn wichtige Fragen offen bleiben.
Bisher kamen Raumluftfilter vor allem im Krankenhausbereich zum Einsatz, wenn es beispielsweise um die Bekämpfung von Tuberkulose ging. Auch zum Herausfiltern von Feinstaub werden Luftfiltergeräte verwendet und kommen in hochbelasteten Großstädten wie Peking auch in Privathaushalten zum Einsatz. Seit der Corona-Pandemie werden auch hierzulande immer öfter Luftfiltergeräte eingesetzt, um die Aerosolmenge in Räumen zu reduzieren.
Deren Mehrwert in der Pandemie-Bekämpfung ist allerdings nicht ganz klar und deshalb auch umstritten. „Es geht um eine Lösung, die man eigentlich ab nächster Woche braucht“, sagt Joachim Curtius, mit dem wir über das Thema Luftfilterung gesprochen haben. Er ist Professor für Experimentelle Atmosphärenforschung an der Goethe-Universität Frankfurt.
Kürzlich wurde in diesem Zusammenhang etwa ein Bericht der Professoren Dr. Hans-Martin Seipp und Dr. Thomas Steffens von der Technischen Hochschule Mittelhessen diskutiert. Darin heißt es: „Als wesentliches Resultat zeigte sich, dass die Stoßöffnung aller Fenster über drei Minuten bei Außentemperaturen von 7° bis 11° C die eingebrachte Konzentration an Aerosolen bis zu 99,8 Prozent senkte. Damit erwies sich die Fensterstoßlüftung um das 10 bis 80-Fache wirksamer als ein unlängst dokumentierter Einsatz der maschinellen Luftfilterung.“
Bei Curtius sorgt der Bericht für Verwunderung. „Mich haben die Aussagen von Seipp und Steffens überrascht. Das erste, was ich dazu sagen möchte ist, dass es derzeit noch gar keine Studie dazu gibt, weder als Preprint noch als vollständige Fachveröffentlichung.“ Außerdem findet er die Formulierung „um das 10- bis 80-fache effizienter als Luftreiniger“ problematisch. „Wir haben gezeigt, dass innerhalb von 30 Minuten eine Reduktion der Aerosole um 90 % stattfindet. Herr Seipp kommt auf 99,8 % Reduktion pro Stoßlüften. Doch um diese 10 Prozent geht es hier vorrangig nicht.“
Darüber hinaus gehe man bei der Aussage auf einige relevante Punkte nicht näher ein. „Es gab wohl auch Situationen, wo nur 30 % mit Stoßlüften geschafft wurden an wärmeren Tagen. Die Luftfilter schaffen diese 90 % durchgehend, schaffen auch 95 % wenn man sie etwas länger laufen lässt. Wir haben diese 90 % pro halber Stunde angegeben für einen typischen Klassenraum bei einem Luftumsatz von 1000 m3/h“, so Curtius. Mit seinem Team hatte er schon im Oktober eine Preprint-Studie veröffentlicht, der zufolge Luftreiniger 90 % der Aerosole in Schulklassen beseitigen.
Curtius betont weiterhin: „Es geht mir auch nicht darum, die Filter statt Fensterlüftung zu empfehlen, sondern zusätzlich. So wie man beim Auto ja auch nicht auf den Sicherheitsgurt verzichtet, weil man einen Airbag hat. Aber je kälter es wird, umso unangenehmer wird es, alle 20 Minuten die Raumluft komplett gegen die kalte Außenluft auszutauschen. Da kommt das Lüften einfach an Grenzen. Außerdem empfiehlt es sich für die Räume, die sich über Fensterlüftung nur unzureichend belüften lassen, beispielsweise weil nur wenige Fenster vorhanden sind.“
Auch das Max-Planck-Institut berichtete über eine entwickelte Lüftungsanlage, die 90 % der Aerosolpartikel aus dem Raum beseitigt. Im Bericht zur Studie heißt es: „Die Konstruktion ist denkbar einfach und wurde mit Materialien aus dem Baumarkt im Wert von etwa 200 Euro umgesetzt: Über jedem Tisch hängt in Deckenhöhe ein breiter Schirm, der mit einem Rohr verbunden ist. Alle Rohre führen in ein zentrales Rohr, das wiederum durch ein gekipptes Fenster nach draußen führt. Ein Ventilator am Ende des Rohrs sorgt dafür, dass die Luft aktiv nach außen transportiert wird.“ Curtius hält diese Lüftung für eine sinnvolle Maßnahme. „Die Frage da ist, ob sich das so schnell umsetzen lässt. An den Decken müssen schließlich Rohre montiert werden und deshalb auch erstmal Brandschutz- und Genehmigungsfragen geklärt werden. Und Handwerker oder Eltern müssen kommen, um die Geräte anzubringen. Herkömmliche Luftfilter stellt man auf und steckt den Stecker in die Dose.“
Generell sei die Diskussion um den Einsatz häufig zu sehr auf die Wirksamkeit des Filters an sich in Prozenten gerichtet. „Da gibt es unterschiedliche: 99,5 %, 99,8 oder 99,98. Wichtiger ist hier aber das Volumen, das ein Gerät pro Stunde umsetzen kann.“ Die Geräte seien insofern unterschiedlich, dass sie einen hohen oder nicht so hohen Luftdurchsatz haben. „Mit 1.000 Kubikmetern pro Stunde schafft man eine große Reduktion, wenn man so einen Spreader im Raum hat.“
Bleibt die Frage: Wie sehr schützt gefilterte Luft vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus? Und die lässt sich derzeit schlicht nicht beantworten, weil sie mit einer anderen ungeklärten Frage eng zusammenhängt: „Wie viele Viren muss man denn aufnehmen, um sich – sagen wir zum Beispiel mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit – mit SARS-CoV-2 zu infizieren? Das wissen wir nicht. Aus diesem Grund ist es wissenschaftlich auch nicht möglich, eine konkrete Aussage über die Schutzwirkung von Luftfiltergeräten zu machen.“
Die Erwartungshaltung sieht natürlich etwas anders aus. „Die Menschen wollen so etwas hören wie, dass sich das Ansteckungsrisiko durch Luftfilter auf 10 Prozent reduzieren lässt, aber das ist leider derzeit unmöglich.“
Was lässt sich hingegen mit Sicherheit zur Wirkung sagen? „Der gesamte Raum wird gefiltert und die Luft ist homogen durchmischt. In einem normalen Klassenzimmer von 50 Quadratmetern ist die Wirkung sehr gleichmäßig.“ Das könne man anhand von Messungen mit im Raum verteilten Zählern gut nachvollziehen.
Was sich nur wenig reduzieren lässt, ist das Risiko der direkten Infektion beim Pusten, Spucken und Sprechen. „Das Risiko der Infektion im Nahfeld bleibt – auch wenn gelüftet oder gefiltert wird. Hier bleiben Masken und Abstand besonders wichtig. Professor Kähler, der an der Universität der Bundeswehr in München den Einsatz von Raumluftreinigern gegen Coronaviren forscht, empfiehlt deshalb in Schulen auch Plexigläser zwischen den Schülern.“
„Wie viel Viren jemand in sich trägt, der hochinfektiös ist und wie viele Viren eine solche Person über das Sprechen und Atmen freisetzt, ist nicht klar, denn dazu gibt es unterschiedliche Angaben.“ Dadurch lässt sich eine Ansteckungssituation auch schlecht in Experimenten nachstellen. „Wenn es so wäre, dass die Infektionen ausschließlich im Nahbereich durch Tröpfcheninfektionen stattfinden, dann wären Luftfiltergeräte kaum relevant. Aber es gibt viele Beispiele, die ein anderes Bild zeichnen.“ An dieser Stelle erwähnt Curtius zum Beispiel die Callcenterstudie: In Südkorea arbeitete eine Person in einem Callcenter, die sich später als Superspreader herausstellte. Von einem Tag auf den anderen war über die Hälfte der Mitarbeiter im Raum infiziert.
Wäre es dann nicht sinnvoll, mit Luftfiltergeräten ausgestattete Schulen zu begleiten und Daten zu sammeln, um sie mit Schulen zu vergleichen, in denen nur stoßgelüftet wird? Zwar sei die Idee gut, doch es scheitere an der Ausführung, wie Curtius erklärt: „Diese Daten wären zwar von höchstem Interesse, die Gesundheitsämter könnten die Erhebung derzeit aber vermutlich nicht stemmen, es wäre zu aufwendig.“ Außerdem blieben auch hier wichtige Fragen offen: „Woher will man wissen, ob eine stattgefundene Ansteckung denn überhaupt tatsächlich in der Klasse passiert ist? Oder danach bei privaten Treffen?“
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