Wie hoch ist das Risiko für einen schweren COVID-Verlauf? Vor allem bei Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen stellt sich diese Frage. Empfehlungen zur Risikoabschätzung wurden jetzt auf den neuesten Stand gebracht.
In einer aktualisierten Stellungnahme fassen Deutschlands Pneumologen zusammen, was wir bisher über Vorerkrankungen und deren Einfluss auf das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf wissen. Zusammengearbeitet haben hier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungs-medizin (DGP) und der Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner (BdP).
Heute geht man davon aus, dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 nur bei einer Minderheit von weniger als fünf Prozent der Infizierten einen schweren Verlauf nimmt. Bereits im Frühjahr zeichnete sich ab, dass Senioren, Männer, Menschen mit Diabetes und Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen hiervon besonders betroffen sind.
Auch Patienten mit bestimmten Lungenerkrankungen wie COPD, fortgeschrittener interstitieller Lungenerkrankung wie der Lungenfibrose, Lungenkrebs und Lungentransplantierte, sind nach derzeitigem Kenntnisstand stärker gefährdet. „Das trifft jedoch längst nicht für alle Krankheiten aus unserem Fachgebiet zu“, sagt Prof. Marek Lommatzsch, Oberarzt der Abteilung für Pneumologie des Zentrums für Innere Medizin der Universitätsmedizin Rostock und Hauptautor der aktualisierten Stellungnahme.
Für die große Gruppe der Asthma-Patienten etwa könne weitgehend Entwarnung gegeben werden – Asthma gleich welchen Schweregrades habe sich in bisherigen Studien nicht als eigenständiger Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf erwiesen. Allerdings könne eine Anpassung der Medikation ratsam sein: „Es gibt Hinweise darauf, dass hoch dosierte inhalative Steroide, ebenso wie eine systemische Steroidtherapie das Risiko für einen schweren Verlauf erhöhen“, sagt Lommatzsch. Hier biete sich eine Umstellung auf eine Therapie mit Biologika an. Niedrig- oder mittelhochdosierte inhalative Steroide (dies betrifft die übergroße Mehrheit aller Patienten mit Asthma) seien dagegen unbedenklich.
Ähnliche Empfehlungen gelten auch für die Therapie von chronischen Erkrankungen wie der Sarkoidose oder bestimmten anderen interstitiellen Lungenerkrankungen. „Auch hier wird die Fortführung der immunsuppressiven oder immunmodulatorischen Therapie mit der niedrigsten noch wirksamen Dosis in jedem Fall empfohlen“, sagt Prof. Torsten Bauer, stellvertretender Präsident der DGP und Mitautor des Positionspapieres. Bei einer Unterbrechung der Therapie sei davon auszugehen, dass der Schaden durch eine Verschlechterung der Grunderkrankung den Nutzen in Bezug auf das COVID-19-Risiko überwiege. Lediglich bei nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion könne die Therapie kurzfristig pausiert werden.
Trotz der immer besser werdenden Datenlage bleibt die Risikoabschätzung für die verschiedenen Lungenerkrankungen, die das DGP-Statement anhand von 13 konkreten Fällen und Fragen praxisnah beleuchtet, kompliziert: Denn für das COVID-19-Risiko spielt die Lungenerkrankung selbst oft nicht die wichtigste Rolle. Selbst das Vorliegen einer COPD, die bereits früh als eigenständiger Risikofaktor genannt wurde, erhöht die Gefahr eines schweren COVID-19-Verlaufs für sich genommen nur mäßig. „Hier liegen jedoch häufig Begleiterkrankungen und zusätzliche Risikofaktoren vor, deren Effekt nur schwer von dem der Lungenschädigung zu trennen ist“, erklärt Prof. Michael Pfeifer, Universität Regensburg, Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Klinik Donaustauf und der Klinik für Pneumologie und konservative Intensivmedizin, KH Barmherzige Brüder, Regensburg und Präsident der DGP.
Die Patienten seien meist älter, viele wiesen auch Herz-Kreislauf-Risikofaktoren auf – „allein dadurch ist das Risiko für einen schweren Verlauf deutlich erhöht.“ Auch das Stadium der Erkrankung oder der Allgemeinzustand des Patienten – etwa bei Krebspatienten – beeinflusst das individuelle COVID-19-Risiko erheblich. Einen vorbeugenden Daueraufenthalt zu Hause empfehlen die DGP-Experten jedoch selbst bei erhöhtem Risikoprofil nicht. „Dieser ist meist nicht erforderlich und angesichts der vielen positiven Aspekte von körperlicher Bewegung auch nicht sinnvoll“, so Pfeifer.
Die vom RKI empfohlenen Hygiene- und Abstandsregeln seien allerdings für all diese Patienten konsequent einzuhalten. Je nach Risikokonstellation und in Absprache mit dem Arzt können auch FFP-Masken getragen werden. Außerdem raten die Lungen-Experten Lungenpatienten unbedingt zu einer Impfung gegen Pneumokokken, die eine Vielzahl der bakteriellen Lungenentzündungen verursachen.
Das Papier ist hier in voller Länge nachzulesen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP).
Bildquelle: Nhia Moua, unsplash