Eine 25-jährige Frau wir mit dem Verdacht auf einen bösartigen Tumor in der Unterlippe an die Oralchirurgie eines Krankenhauses überwiesen. Doch dort macht ein Detail die Ärzte stutzig. Handelt es sich vielleicht gar nicht um eine Neoplasie?
Eine 25-jährige Japanerin wird mit einer sklerotischen Läsion in der Unterlippe in die Oralchirurgie eines Krankenhauses überwiesen. Den schmerzlosen Knoten habe die sonst gesunde Frau vor vier Wochen erstmals bemerkt, die überweisenden Ärzte vermuten einen bösartigen Tumor. Die Oralchirurgen im Krankenhaus sehen einen etwa zwei Zentimenter großen Knoten in der Unterlippe, mit einer geschwürartigen Läsion in der Mitte und einem leicht erhöhten erythematösen und indurierten Rand.
Doch weitere Untersuchungen liefern keinen Hinweis auf eine Bösartigkeit. Fieber oder eine offensichtliche zervikale Lymphadenopathie liegen nicht vor. Ein vollständiges Blutbild und einige weitere Labortests liegen alle innerhalb der Referenzbereiche. Lediglich ein erhöhter CRP-Wert von 6,48 mg/dL fällt auf. Die Tumormarker SCC und CEA sind nicht erhöht und auch Tests auf Antikörper gegen HIV, Hepatitis B und C sind negativ. Zur weiteren Bestimmung des Invasionsbereichs der Masse wird eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Hierbei zeigt sich eine ovale Läsion, die 17x11x12 Millimeter groß und unklar begrenzt ist.
Doch seltsamerweise ist die Läsion weich, was eigentlich eher auf ein entzündliches Geschehen und nicht auf ein ein neoplastisches hindeutet. Handelt es sich als vielleicht gar nicht um eine bösartige Masse? Ein weiteres Detail lässt die Ärzte aufhorchen: Die Frau gibt an drei Wochen vor Auftreten der schmerzlosen Masse ungeschützten Oralverkehr mit einem männlichen Partner gehabt zu haben. Daher ordnen die Ärzte mehrere serologische Syphilis-Tests an. Tatsächlich fallen alle Tests stark positiv aus. Daraufhin diagnostizieren sie eine Syphilis mit einer Induration der Unterlippe als primärer Läsion.
Die Patientin erhält anschließend über vier Wochen orales Amoxicillin. Die Läsion an ihrer Lippe ist nach drei Monaten fast verschwunden und auch ein erneuter Syphilis-Test fällt nun negativ aus.
Bei ihrem Sexualpartner, der seinerseits mehrere Partner hatte, konnte ebenfalls Genitalsyphilis diagnostiziert werden. Doch er wurde in einem anderen Krankenhaus behandelt.
Text- und Bildquelle: Asai et al. / Journal of Medical Case Reports