Ein 57-jähriger Mann leidet seit 4 Jahren an Bord von Linienflügen immer wieder an rechtsseitigen fazialen Paralysen und Otalgien. Doch sein Gehör scheint sonst unauffällig zu sein. Am Ende liegt der Fehler im Detail.
Ein 57-jähriger Mann stellt sich bei seinem Hausarzt vor. Seit 4 Jahren leidet er an Bord von Linienflügen an immer wiederkehrenden Episoden rechtsseitiger fazialer Paralysen und Otalgien. Dies sei ihm erstmals aufgefallen, als er unmittelbar nach dem Abheben des Flugzeuges nicht mehr in der Lage war den Ohrendruck auszugleichen. Darauf folgten die rechtsseitige Otalgie sowie ein Herabhängen der Gesichtshälfte und Taubheit bis zum Erreichen der Reiseflughöhe. Die schmerzhaften Episoden erleidet der Patient seither immer wieder beim Steig- und gelegentlich auch beim Sinkflug.
Er selbst kann der Sache durch Gähnen und das Toynbee-Manöver zum Druckausgleich im Flug entgegen wirken. Auch rezeptfreie Nasensprays mit abschwellender Wirkung helfen, weshalb er diese gelegentlich präventiv benutzt. Die allgemeine und neurologische Untersuchung des Patienten sind unauffällig. Auch eine ausgiebige Untersuchung des Gehörs inklusive Rinne- und Weber-Tests sowie einem Audiogramm liefert keinen Hinweis auf die Ursache. Frühere chronische Mittelohrentzündungen oder Ohr-, Nebenhöhlen- oder Nasenoperationen verneint der Patient. Die Labortests sind ebenfalls allesamt unauffällig.
Doch woher kommen die Symptome des Mannes dann? Gibt es möglicherweise eine anatomische Ursache? Auf MRT-Aufnahmen mit und ohne Kontrastmittel sind allerdings keinerlei Massen oder Läsionen im inneren Gehörgang oder am Kleinhirnbrückenwinkel zu sehen. Auch der N. facialis scheint unauffällig. Doch auf den ebenfalls angefertigten CT-Aufnahmen fällt ein winziges Detail auf: Eine Dehiszenz des rechtsseitigen Canalis nervi facialis.
Der Patient wird in eine HNO-Abteilung überwiesen. Die Ärzte dort entscheiden sich, dem Patienten ein Paukenröhrchen einzusetzen.
Daraufhin ist der Patient - auch 6 Monate nach dem Eingriff - symptomfrei. Das sehr seltene Phänomen wird als "facial baroparesis" bezeichnet. Die Ursachen und assoziierten Risikofaktoren sind nicht besonders gut erforscht - allerdings wird gehäuft ein Zusammenhang zu Dehiszenzen des n. facialis im Canalis nervi facialis beobachtet.
Text- und Bildquelle: Caffrey et al. / Journal of Medical Case Reports