Die Sensitivität von Coronatests könne man bei Bevölkerungsscreenings vernachlässigen, erklären Epidemiologen. Eine Simulation scheint das zu bestätigen.
Würde man die Hälfte der Bevölkerung wöchentlich mit preiswerten Schnelltests testen, dann könnten sich die Infektionszahlen innerhalb von Wochen senken lassen – selbst wenn diese Tests weniger sensitiv sind als der Goldstandard PCR. Das schreibt ein Team aus Computerwissenschaftlern und Epidemiologen der University of Colorado Boulder und Harvard University in einem neuen Paper, das jetzt in Science Advances veröffentlicht wurde.
Bereits im September warfen die Wissenschaftler im NEJM die Frage auf, ob wir die Sensitivität von Coronatests zu wichtig nehmen – zumindest wenn es darum geht, die Pandemie über bevölkerungsweite Screenings einzudämmen. Dann nämlich sollte die Schlüsselfrage nicht lauten, wie gut virale RNA in einer einzigen Probe nachgewiesen werden kann, sondern wie effektiv Infektionen in einer ganzen Population durch regelmäßiges Testen identifiziert werden können. Diese Sensitivität der Teststrategie sollte viel mehr Aufmerksamkeit bekommen, schrieben die Forscher damals in ihrer Veröffentlichung.
Mit einer Computer-Simulation untersuchten die Wissenschaftler jetzt die Wirksamkeit wiederholter Bevölkerungsscreenings, um die Pandemie einzudämmen. Dabei berücksichtigten sie Sensitivität, Häufigkeit und Bearbeitungszeit von verschiedenen Tests, zum Beispiel klassicher PCR-Tests, Antigen-Schnelltests oder auch RT-LAMP. Letztere Testmethode ist bisher noch nicht auf dem Markt, verspricht aber ebenfalls eine schnelle Durchführung anhand von Abstrich- oder Speichelproben.
Die Forscher durchsuchten die verfügbare Literatur über den zeitlichen Ablauf der Viruslast während einer Infektion (Viruskinetik), wann Menschen zu Symptomen neigen und wann sie ansteckend sind. Anschließend benutzten sie mathematische Modelle, um die Auswirkungen des Screenings mit verschiedenen Tests in verschiedenen Szenarien vorherzusagen.
Als es in ihrer Simulation darum ging, die Ausbreitung einzudämmen, stellten sie fest, dass Häufigkeit und Durchlaufzeit von Tests viel wichtiger sind als die Testsensitivität. In einem Szenario in einer Großstadt beispielsweise konnte ein weit verbreiteter, zweimal wöchentlich durchgeführter Test mit einem schnellen, aber weniger empfindlichen Test die Reproduktionszahl effektiver senken, als ein zweimal wöchentlich durchgeführter PCR-Test.
Laut der Analyse spiele bei Massentests die Geschwindigkeit der Auswertung eine bedeutendere Rolle als das Nicht-Erkennen einzelner Infizierter aufgrund deren geringer Virenlast.
Die Erklärung: Der Fokus im Bevölkerungsscreening liegt darauf, asymptomatische Personen zu identifzieren. Beim Einsatz von Schnelltests müssen die Personen nicht lange auf ein Ergebnis warten und können sich gegebenenfalls sofort in Isolation begeben.
Dass die Tests nicht so empfindlich sind wie der Goldstandard PCR könne laut der Autoren vernachlässigt werden, denn: „Es gibt ein sehr kurzes Fenster, früh in der Infektion, in dem die PCR das Virus nachweisen wird, aber ein Antigen- oder LAMP-Test nicht“, erklärte Parker. Doch während dieser kurzen Zeit sei die Person oft sowieso nicht ansteckend.
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