Forscher verstehen jetzt genauer, wie SARS-CoV-2 den Infektionsverlauf steuert. Neue Coronaviren, die sich in Zukunft entwickeln könnten, lassen sich dadurch besser einschätzen.
Erstmals konnten RNA-Faltungsstrukturen des SARS-CoV-2-Genoms beobachtet werden, mit denen das Virus den Infektionsverlauf steuert. Das bedeutet, Forscher können jetzt genauer verstehen, wie SARS-CoV-2 das Infektionsgeschehen steuert. Die Erkenntnisse spielen aber auch eine wichtige Rolle für die Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten möglicher neuer Coronaviren, die sich in Zukunft entwickeln könnten.
Die RNA-Faltungsstrukturen sind bei verschiedenen Beta-Coronaviren sehr ähnlich. Damit sei die Grundlage für die gezielte Entwicklung neuartiger Medikamente zur COVID-19-Behandlung gelegt worden, verkündet ein internationaler Forschungsverbund von Chemikern und Biochemikern an dem die Goethe-Universität und die TU Darmstadt beteiligt sind.
Bisher gab es nur Modelle dieser Faltungen, die sich auf Computeranalysen oder indirekte experimentelle Nachweise stützten. SARS-CoV2 nutzt räumliche Faltungen seines RNA-Erbmoleküls als Steuerelemente für die Protein-Herstellung. Überwiegend in Bereichen, die nicht für die Viren-Proteine codieren, werden aus dem RNA-Einzelstrang Strukturen mit RNA-Doppelstrang-Abschnitten und –schleifen.
Die Forscher konnten nun die Struktur von insgesamt 15 solcher regulatorischen Elemente bestimmen. Dazu nutzten sie die Kernresonanz- oder NMR-Spektroskopie, bei der die Atome der RNA einem starken Magnetfeld ausgesetzt werden und so etwas über ihre räumliche Anordnung verraten. Die Ergebnisse dieser Methode glichen sie mit denen aus einem chemischen Verfahren ab (Dimethylsulfat-Footprint), mit dessen Hilfe zwischen RNA-Einzelstrang- und Doppelstrangbereichen unterschieden werden kann.
„Mit unseren Ergebnissen haben eine breite Basis gelegt, um künftig genau zu verstehen, wie SARS-CoV-2 das Infektionsgeschehen steuert. Wissenschaftlich war das ein gewaltiger, sehr arbeitsintensiver Kraftakt“, sagt Prof. Harald Schwalbe vom Zentrum für Biomolekulare Magnetische Resonanz der Goethe-Universität Frankfurt.
Das Potenzial der Entdeckungen geht über neue Behandlungsoptionen für Infektionen mit SARS-CoV-2 hinaus, davon ist Schwalbe überzeugt: „Die Steuerungsregionen der viralen RNA, deren Struktur wir untersucht haben, sind zum Beispiel bei SARS-CoV fast identisch und auch bei anderen Beta-Coronaviren sehr ähnlich. Daher hoffen wir, dass wir einen Beitrag dazu leisten konnten, auf künftige ‚SARS-CoV-3‘-Viren besser vorbereitet zu sein.“
Und die wissenschaftliche Arbeit mit RNA-Faltungsstrukturen des SARS-CoV-2-Genoms geht direkt weiter: „Derzeit untersuchen wir, welche viralen Proteine und welche Proteine der menschlichen Wirtszellen mit den gefalteten regulatorischen Regionen der RNA interagieren, und ob sich daraus Ansatzpunkte für Therapien ergeben können“, so Schwalbe.
Weltweit forschen über 40 Arbeitsgruppen mit 200 Wissenschaftlern im COVID-19-NMR-Konsortium, in Frankfurt arbeiteten seit Ende März 2020 45 Doktoranden und Postdocs in zwei Schichten pro Tag an sieben Tagen die Woche mit.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Bildquelle: Daniele Levis Pelusi, unsplash