Primäre Hyperoxalurie
Synonym: Hyperoxalurie, Oxalose
Englisch: Primary Hyperoxaluria
Definition:
Die primäre Hyperoxalurie(PH) beschreibt eine Gruppe autosomal rezessiver, hereditärer Erkrankungen, aufgrund von Leber-Enzymdefekten, die alle zu einer vermehrten Ausscheidung von Oxalat führen.
Epidemiologie:
Prävalenzrate in Zentraleuropa liegt bei 2,9/1.000.000. In der Regel manifestiert sich die Erkrankung im frühen Kindesalter. Es sind jedoch auch Fälle mit erstmaliger klinischer Symptomatik im frühen Säuglingsalter bis in die 60.Lebensdekade beschrieben.
Typen:
Die Erkrankung wird aufgrund der zugrundeliegenden Genmutationen in 3 Typen unterteilt. Weitere Typen werden gemeinhin angenommen. Die PH Typ 1 ist mit 80% die häufigste, und auch klinisch schwerwiegendste Variante. Die PH Typ 2 mit etwa 15% und die PH Typ 3 mit 5% kommen deutlich seltener vor.
Pathophysiologie:
Die PH Typ 1 basiert auf einer Mutation im AGXT Gen, die zu einem Defekt der peroxisomalen Alanin:Glyoxylat Aminotransferase führt. Dies verursacht in den hepatischen Zellen eine unzureichende Transaminierung von Glyoxylat zu Glycin, sodass stattdessen eine weitere Verstoffwechselung zu Glykolsäure/Glykolat und vor allem zu Oxalat erfolgt. Eine Ausscheidung erfolgt weitestgehend über die Nieren, welches namensgebend für die Erkrankung ist. Als metabolisches Endprodukt kann Oxalat nicht weiter verstoffwechselt werden und bildet Verbindung mit Kalzium. Diese kristallisieren und lagern sich in verschiedenen Geweben, zunächst vor allem in den Nieren ab und führen dort zu Entzündungen und einer zunehmenden Funktionseinschränkung. Bei abnehmender Nierenfunktion nehmen die Ablagerungen in anderen Organen wie Herz, Knochen und Augen zu, welche ebenfalls zu einer Funktionseinschränkung führt.
Der PH Typ 2 liegt eine Mangel an Glyoxylat-Reduktase/Hydroxypyruvat-Reduktase aufgrund einer Mutation im GRHPR-Gen zugrunde.
Primäre Hyperoxalurie Typ 3 entsteht in Folge einer Mutationen im HOGA1-Gen, welche eine Dysfunktion des 2-Keto-4-Hydroxy-Glutarat-Aldolase zur Folge hat.
Symptome:
Es besteht eine hohe phänotypische Varianz bei der PH. Klinisch ist meist die zunehmende Niereninsuffizienz führend. Entsprechend erfolgt eine unzureichende Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen. Bei zunehmender systemischer Ablagerung kann es auch zu Störungen der entsprechenden Organfunktionen, wie Sehverlust oder Störungen des Herzreizleitungssystems und der –pumpfunktion kommen.
Diagnose
Eine 24-h Urin Messung von Oxalat, L-Glycerat und Hydroxy-oxo-Glutarat Ausscheidung ist das wichtigste primäre Diagnostikum. Außerdem die Messung der renalen Funktionsparameter Serum Kreatinin und eGFR, sowie Plasma Spiegel von Oxalat und Glykolat. Bei Steinleiden sollte eine Analyse der Harnsteine erfolgen.
Für eine sichere Diagnosestellung sollte jedoch eine Mutationsanalyse der betroffenen Gene oder alternativ eine Leberbiopsie mit Enzymanalyse erfolgen.
Therapie
Als symptomatische Behandlungsmöglichkeiten sind erhöhte Flüssigkeitsmengen und antilithogene Substanzen, wie Alkalizitrat oder Orthophosphat, sinnvoll, um den Krankheitsprogress zu verlangsamen.
Vitamin B6 kann bei etwa einem Drittel der Patienten durch eine enzymstabilisierende Wirkung eine deutliche Besserung der Oxalat Produktion erreichen.
Aktuelle Studien untersuchen die Wirksamkeit verschiedener neuer Therapiemöglichkeiten wie die Gabe eines anaeroben Bakteriums Oxalobacter formingenes, welches Oxalat als einzige Energiequelle nutzt und im menschlichen Darmtrakt verstoffwechselt. Auch Substrat-Reduktionstherapien, wie die RNA Interferenz Methode werden derzeit untersucht.
Einzig kurative Therapie ist jedoch eine Lebertransplantation, meist in Kombination mit einer Nierentransplantation der bereits geschädigten Niere.