Der Vater war sofort dabei, die Mutter skeptisch, der 14-jährige Sohn zog schon den Pullover aus und hielt mir den Deltoideus hin mit den Worten: „Kein Bock mehr auf den Mist.“
Die Medien sagen, die Impfung kommt Anfang des Jahres, wahrscheinlich wird man zwei Impfungen brauchen (vermutlich mit 6 Monaten Abstand), es wird nicht genug Dosen für alle geben, das war klar. Aber dass es eine Impfung geben wird, ist sicher, die Medien sind voll von Wettbewerben um die Entwicklung, die internationale Zusammenarbeit. Viel andere Perspektiven hat die Erdbevölkerung auch nicht, außer einer kompletten Durchseuchung mit unvorhersehbaren Verlusten.
Dass die Mengen begrenzt sind, sehen wir an den alljährlichen Produktionskapazitäten zum Grippeimpfstoff. Außerdem denken die Entscheidungsträger global und nicht national nach Trump-Manier, das heißt, es geht darum, die Gesamtkapazitäten auf alle Nationen zu verteilen. Dies gesetzt, bleibt für Deutschland nur eine begrenzte Zahl an Impfstoffdosen übrig. Wir werden priorisieren müssen. Ähnlich war das Vorgehen bei der Schweinegrippe, faktisch auch bei der Influenza-Impfung. Herr Spahn verbreitet in den Medien zwar den Wunsch nach einer Grippeimpfung für alle, aber auch hier reichen die zur Verfügung stehende Dosen nicht mal für die Risikogruppen aus.
Wer wird also geimpft?
Als hauptgefährdete Personengruppen gelten bei allen Erkrankungen immer die Hauptexponierten und die Menschen, die an einer bestimmten Krankheit am schwersten erkranken. Um das Gesundheitswesen aufrecht zu erhalten, wird zuerst medizinisches Personal geimpft werden. Hier dürfte auch die Impfbereitschaft am größten sein. Gleichzeitig rechne ich mit einer empfohlenen Impfung für ältere Menschen und Patienten mit Vorerkrankungen, bei Corona sind dies Menschen mit Lungen- oder Herzerkrankungen.
Bei meinem ureigenen Klientel, den Kindern, verhält es sich ähnlich wie bei der Influenza: Sie sind zwar Überträger, erkranken aber verhältnismäßig seltener und weniger schwer. Daher rechne ich nicht mit einer Impfempfehlung für gesunde Kinder vor dem Jugendalter. Wie sich dies wiederum auf die Erstattung durch die Krankenkassen auswirkt, falls doch jemand die Impfung möchte, kann niemand vorhersagen. Nicht jede zugelassene Impfung wird übernommen. Allerdings ist der mediale Druck bei Corona sehr hoch, so dass sich kaum eine kranke Kasse ihren Mitgliedern gegenüber verweigern kann.
Wie wird die Verträglichkeit sein?
Wir wissen es nicht. Für die eingangs erwähnte Mutter war dies das Hauptgegenargument: Sie werde sich keinen Impfstoff spritzen lassen, der erst neu auf den Markt gekommen ist. Als ob ein Impfstoff wie ein neues Betriebssystem für das Handy funktioniere: Lassen wir erst einmal andere die Software ausprobieren, bevor ich es selbst downloade, dann sind die „Kinderkrankheiten“ erkannt.
Impfstoffe durchlaufen einen sehr komplexen Zulassungsprozess mit Testung an Zehntausenden von Probanden. Beim COVID-19-Impfstoff laufen diese letzten Verträglichkeitsstudien bereits, so dass mit einer pharmazeutischen Zulassung um die Jahreswende gerechnet wird. Die entscheidenden Gremien wie die EMA (European Medicine Agency) und die FDA (US Food and Drug Administration) müssen dann noch einer flächendeckenden Empfehlung zustimmen. Die WHO rechnet nicht vor der Jahresmitte 2021 mit einer breiten Impfstoffverfügbarkeit.
Vertraut man diesen Zulassungsverfahren, kann jeder sich bedenkenlos impfen lassen. Vertraut man ihnen nicht, bleibt die Hoffnung auf eine stille Feiung oder die Furcht vor einer schweren Infektion. In jedem Fall wird die dann verfügbare Impfung für die Querdenker ein willkommenes neues Spielfeld sein: die Pharmaindustrie als ewiges Feindbild, womöglich Verschwörungs-Neon-Bill-Gates-Spritzen als irrationales Schreckensszenario.
Ich bin bereits wiederholt gefragt worden, ob ich mir die Impfung geben lassen würde. Meine Antwort: Jederzeit. Ich bin als Arzt vorne dabei, ich bin älter, ich bin Risikogruppe. Und ja, verdammt, ich habe Vertrauen in die Wissenschaft, in die Entscheidungsträger, das Paul-Ehrlich-Institut (zuständig für die Zulassung in Deutschland), dass der Impfstoff, wenn er auf den Markt kommt, auch die überwiegende Wirkung hat, dass diese die mögliche Nebenwirkungen bei weitem überwiegt. Eine bessere Chance haben wir nicht.
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Bildquelle: Simone Secci, unsplash