Eine Forschungsgruppe der Charité konnte erstmals in Deutschland die Übertragung des Seoulvirus von einem Tier auf den Menschen belegen. Hat dieser Fallbericht Auswirkungen auf den Umgang mit Wild- und Heimratten hierzulande?
In Zusammenarbeit mit dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) wurde der Krankheitserreger bei einer jungen Patientin und ihrer Heimratte nachgewiesen. Das könnte Auswirkungen auf den Umgang mit Wild- und Heimratten haben, wie jetzt im Fachmagazin Emerging Infectious Diseases beschrieben ist.
Nach mehreren Ausbrüchen im 21. Jahrhundert stehen Hantavirus-Erkrankungen stärker im öffentlichen Fokus und sind in Deutschland seit 2001 meldepflichtig. Durch verschiedene Mausarten können beispielsweise die in Mitteleuropa verbreiteten Puumala- und Dobrava-Belgrad-Viren übertragen werden. Diese führen meist zu fiebrigen Erkrankungen, in einigen Fällen jedoch auch zu einem HFRS-Syndrom, das mit Fieber, Blutdruckabfall und akutem Nierenversagen einhergeht. Dagegen kommt das hauptsächlich in Asien verbreitete Seoulvirus, welches weit häufiger zu schweren Verläufen führt, ausschließlich in Ratten vor. Übertragungen des hochvirulenten Seoulvirus von Ratten auf Menschen sind bereits in mehreren Fällen auch außerhalb Asiens dokumentiert worden.
Das Team um Prof. Jörg Hofmann, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für Hantaviren am Institut für Virologie der Charité, konnte nun erstmals eine autochthone Infektion durch das Seoulvirus aufzeigen, deren Ursprung eine Ratte war. In enger Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Prof. Rainer G. Ulrich am FLI in Greifswald sowie lokalen und regionalen Gesundheitsbehörden haben die Forscher das Virus bei einer jungen Patientin aus Niedersachsen und einer ihrer Heimratten nachgewiesen.
„Dieses Virus kommt ursprünglich aus Asien und ist wahrscheinlich durch infizierte Wildratten auf Schiffen nach Europa gelangt, konnte in Deutschland bisher aber noch nie beobachtet werden“, sagt Hofmann, Erstautor der Studie. Die infizierte Zuchtratte der Patientin ist vermutlich aus einem anderen Land nach Deutschland importiert worden.
Die junge Patientin musste mehrere Tage intensivmedizinisch versorgt werden, nachdem sie Symptome eines akuten Nierenversagens zeigte. Serologische Laboruntersuchungen konnten schnell den Verdacht einer Hantavirus-Infektion bestätigen – um welchen Virustyp es sich handelte, war allerdings nicht klar.
Das Team um Hofmann hat eine molekulare Spezialdiagnostik entwickelt, mit deren Hilfe das Seoulvirus bei der Patientin identifiziert werden konnte. Bei der betroffenen Heimratte konnten die Experten am FLI mit dem Test dasselbe Virus nachweisen. Hofmann erklärt: „Beide Virussequenzen, die der Patientin und die der Ratte, waren identisch. Dies bestätigt eine Erkrankung durch Übertragung des Erregers vom Tier auf den Menschen – eine sogenannte Zoonose.“
„Bislang dachte man nur bei Mäusekontakt an Hantavirus-Infektionen. Jetzt muss man die Möglichkeit einer Infektion auch bei Kontakt zu Wild- oder Heimratten in Betracht ziehen“, warnen die Autoren. „Der Nachweis in einer Heimratte bedeutet außerdem, dass über den Verkauf dieser Tiere das Virus praktisch überallhin exportiert werden kann.“ Vorsicht ist daher bei der Rattenhaltung geboten.
Die betreffende Publikation findet ihr im Text verlinkt und hier.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Bildquelle: Oxana Kuznetsova, unsplash