Derzeit ist kein Anstieg der SARS-CoV-2-Infektionen zu beobachten. Doch wie realistisch sind die Zahlen? Ärzte vermuten eine hohe Dunkelziffer, da weniger getestet wird.
Derzeit werde ein missverständliches Bild vermittelt, was die Zahl der Corona-Infektionen betrifft, twittert Anästhesist und Blogger Narkosedoc.
Laut Robert-Koch-Institut haben Deutschlands Gesundheitsämter 14.419 Corona-Neuinfektionen binnen 24 Stunden gemeldet – etwa 1.000 Fälle weniger als in der Vorwoche (15.332).
Sollte der Tweet nicht angezeigt werden, bitte Seite neu laden
„Angeblich stagnieren die Zahlen für COVID-Infektionen. Das ist irreführend, die Testkriterien (wer wird getestet) wurden am 11.11. sehr verschärft“, argumentiert der Narkosearzt und weist auf eine mögliche Dunkelziffer hin: „Wir (Maximalversorger) können nur noch 40 Tests am Tag machen, da das Testmaterial fehlt.“
Ein anderer Arzt macht eine ähnliche Beobachtung wie Narkosedoc: „Es gibt schlicht und ergreifend nicht genug Material, um alle erwünschten Tests noch durchführen zu können. Es fehlt an so ziemlich allem. Die Labore kommen nicht mehr nach, weil sie auf Material warten.“ Unter dem Tweet des Bloggers teilen User ihre Überlegungen zu möglichen weiteren Gründen für die Stagnation. „Interessant bezüglich der stagnierenden Zahl der Covid-Neuinfektionen könnte auch ein möglicher Rückstau der Labore bei der Testauswertung sein“, wirft ein User ein.
„Hier werden nicht einmal mehr die Symptomatischen getestet, erst bei deutlicher Verschlechterung“, gibt eine Gesundheits- und Krankenpflegerin zu bedenken. „Mich wundern die Zahlen nicht – wobei doch, ich finde sie recht hoch angesichts der nun angewandten Teststrategie.“ Eine weitere Userin weist auf mögliche regionale Unterschiede hin: „Die Zahlen sind halt für ganz Deutschland. Denke, regional wird das Niveau (Anstieg/Stagnation/Anstieg) sehr unterschiedlich sein. Hier im Kreis wird noch sehr großzügig getestet, die Zahlen stagnierten allerdings auch schon vor dem Lockdown.“
RKI-Testkriterien bei SARS-CoV-2, zu finden hier
Ein Pflegepädagoge macht einen überspitzten Vergleich und spricht von der „gelebten Trump-Methode … wer nicht testet, findet auch keine neuen Fälle.“
Dass die Situation sehr unterschiedlich erlebt wird, zeigt auch der Lagebericht einer Gesundheits- und Krankenpflegerin, die in leitender Position in der Notaufnahme tätig ist: „Wir haben mit 17 positiven Patienten im Krankenhaus unseren derzeitigen Höchstwert seit Beginn der Pandemie. Für mich stagniert hier gar nichts.“ „Hier auch zum ersten Mal Hütte voll mit Covid“, ergänzt ein User, der ebenfalls in einer Klinik tätig ist.
„Wir testen ambulant auch nur noch strikt nach den RKI-Richtlinien. Mir ist etwas mulmig dabei, wer jetzt so alles durchs Raster fällt“, meldet sich ein Arzt zu Wort.
Die aktuelle Datenerhebung zu Corona-Testungen in Deutschland der Akkreditierten Labore der Medizin (ALM) von Kalenderwoche 46 zeigt eine leicht rückläufige Tendenz beim Testgeschehen bei weiterhin hohem Niveau. In der KW 46 wurden demnach 1.268.659 SARS-CoV-2-PCR-Tests durchgeführt, das sind 12 Prozent weniger als in der Vorwoche. Davon waren 116.510 Tests mit positivem Befund. Mit 9,2 Prozent (Vorwoche: 8 Prozent) handelt es sich um die höchste Positivrate seit Beginn der ALM-Datenerhebung Anfang März. Die Testkapazität konnte um weitere 4 Prozent ausgebaut werden. „Die tatsächliche Nutzung dieser Kapazität hängt entscheidend davon ab, ob die weiterhin äußerst knappen Materialien und Reagenzien geliefert werden können,“ erklärt ALM-Vorstand Evangelos Kotsopoulos im Pressebericht. „Denn neben dem Fachpersonal ist die Belieferung durch die Hersteller ein kritischer Engpass in der COVID-19-Diagnostik.“
Bildquelle: Paul Bergmeir, unsplash