Kliniken und Praxen müssen Glukoselösungen voraussichtlich ab 2021 selbst anmischen. Warum das aus Sicht der Experten für Ärzte wie Patienten problematisch werden könnte.
Bei dem in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehenen zweistufigen Testverfahren zum Gestationsdiabetes (GDM) trinkt die schwangere Frau im Zeitraum zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche eine Lösung mit 50 Gramm Glukose (GCT). Werden erhöhte Blutzuckerwerte gemessen, folgt ein erneuter Nüchtern-Test mit 75 Gramm Glukose (oGTT). „Der oGTT ist auch für die Diabetesdiagnostik allgemein von großer Bedeutung und wird daher sehr häufig angewendet“, erklärt Prof. Lutz Heinemann, Vorsitzender der gemeinsamen Kommission der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL).
Es sei für die zuverlässige Identifizierung von Patienten mit Diabetes besonders wichtig, auf sichere Glukoselösungen zurückgreifen zu können. Doch dadurch, dass Krankenkassen die von der pharmazeutischen Industrie angeboten Fertiglösungen nicht mehr erstatten, seien diese ab kommendem Jahr nicht mehr erhältlich. Kliniken und Praxen müssen die Glukoselösung nun manuell zubereiten. „In Anbetracht der stetig steigenden Diabeteserkrankungen – auch bei Schwangeren – ist dies ein fatales Signal“, kritisiert Heinemann.
Durch die Selbstanmischung ergeben sich ein erhöhter organisatorischer Aufwand für Behandelnde, aber auch gesundheitliche Risiken für die Patientinnen und ihre ungeborenen Kinder, so die DDG. Zudem sind bislang weder in den GDM-Leitlinien der DDG noch in den Mutterschaftsrichtlinien Details zu Herstellung der zu verwendenden Glukoselösung genannt. Auch in der internationalen Literatur und Leitlinien gibt es keine konkreten Aussagen dazu. „In dem trivial anmutenden Prozess der Glukoseanmischung verbergen sich viele Fallstricke, die zu einem ungenauen Ergebnis und damit zu einer folgenschweren Fehldiagnose beitragen können“, Heinemann.
So verwenden viele bei der Anmischung reine Glukose anstatt des besser löslichen Glukose-Monohydrats. Trotz aller Mühen und optimaler Bedingungen kommt es immer wieder dazu, dass ein Rest Glukose im Behältnis verbleibt, der sich nicht auflöst und so zu einer falsch-negativen Interpretation des Testes führen kann. Zudem sind nicht immer optimal verträgliche Hilfsstoffe beigesetzt. Auch stehen in Praxen häufig keine Räume zu Verfügung, die den Hygieneanforderungen entsprechen, was wiederum zu Verunreinigungen führen kann. Schließlich muss die zugegebene Flüssigkeit präzise abgemessen werden, um das Mischverhältnis nicht zu verfälschen. Hierzu seien genaue Kenntnisse und geeignete Apparaturen notwendig. „Nicht zu unterschätzen ist auch der bereits bestehende Zeitdruck, unter dem die Behandler jetzt schon stehen“, warnt Apotheker Manfred Krüger, Mitglied der Kommission Apotheker in der Diabetologie (BAK/DDG).
Die DDG verweist auch auf die rechtlichen Probleme, die bei einer falschen Testung erfolgen können. „Gemäß Produkthaftungsgesetz können behandelnde Ärztinnen und Ärzte dafür haften, wenn Probleme bei den in der Praxis hergestellten Glukoselösungen auftreten“, betont Krüger. „Rechtlich gelten sie in diesen Fällen als Hersteller eines Arzneimittels.“
Umso wichtiger ist es, definierte Standards in der Herstellung der Glukoselösung festzulegen und Behandlern zuverlässige Leitfäden an die Hand zu geben. Einen solchen haben nun die DDG-Kommissionen „Labordiagnostik in der Diabetologie der DDG & DGKL“ und „Apotheker in der Diabetologie BAK/DDG“ in ihrem aktuellen Positionspapier veröffentlicht.
Die DDG bekräftigt damit ihre Forderung an die kassenärztlichen Vereinigungen und den GKV-Spitzenverband, die Kosten für Fertiglösungen zu übernehmen. Idealerweise sollte es eine bundeseinheitliche Regelung zur Erstattung durch alle Krankenkassen geben. „Es ist skandalös, dass die Kostenträger für eine Ersparnis von gerade einmal vier Euro pro Patient durch die Selbstanmischung die diagnostische Sicherheit und damit die Gesundheit der Patientinnen und Patienten aufs Spiel setzen“, resümiert DDG-Präsidentin Prof. Monika Kellerer.
Zur ganzen Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft kommt ihr hier.
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