Rückwärts wandernde elektrische Impulse aktivieren einen Rezeptor im Zellinneren und verändern so die Calciumantwort in Spines langfristig. Damit fungiert die Calciumantwort als neuronaler Informationsspeicher. Gehen damit neuropsychiatrische Erkrankungen einher?
Forschungsergebnisse der vergangenen Jahrzehnte zeigen immer deutlicher, dass Gedächtnisinhalte in Form von dauerhaften Veränderungen in der Art und Weise, wie Nervenzellen miteinander kommunizieren und in der Stärke ihrer Verbindungen zueinander kodiert sind. Lernen evoziert in den Zellen ein spezifisches Muster elektrischer Aktivität, welches das Antwortverhalten auf eingehende Signale, die Expression von Genen und die Morphologie der Zelle über den Lernvorgang hinaus beeinflusst.
„All diese Veränderungen bilden sozusagen das zelluläre Korrelat unserer Vorstellung des Gedächtnisengramms“, sagt Privatdozent Dr. Friedrich Johenning, Wissenschaftler am Neurowissenschaftlichen Forschungszentrum und einer der beiden Erstautoren der Studie. „Wir beschäftigen uns damit, physiologische Mechanismen zu identifizieren, durch die eine Nervenzelle ihr Antwortverhalten langfristig ändern kann“, fügt die Erstautorin Anne-Kathrin Theis hinzu. Die Wissenschaftler zeigen in ihrer Studie, dass rückwärts in den Dendritenbaum wandernde Aktionspotentiale langfristige Veränderungen in der Calciumantwort von Spines bewirken. Trifft ein rückwärts wanderndes Aktionspotential auf einen Spine, verändert sich kurzfristig die Calciumkonzentration innerhalb des Spines, da Calciumionen durch sich öffnende Ionenkanäle von außen hineinströmen. Zusätzlich wird ein intrazellulärer Rezeptor aktiviert, der Ryanodin-Rezeptor, der die Freisetzung von in der Zelle gespeichertem Calcium auslöst. Dies führt zu einer langfristigen Veränderung der durch elektrische Impulse hervorgerufenen Calciumantwort im Inneren des Spines. Bemerkenswert ist, dass diese Veränderungen lokal auf einzelne Spines begrenzt sind und benachbarte Fortsätze nicht beeinflusst werden.
„In Zukunft geht es uns nun darum, herauszufinden, welchen Einfluss diese Spine-spezifischen, langfristig veränderten Calciumantworten auf die synaptische Kommunikation zwischen Nervenzellen haben. Dabei ist uns auch wichtig, einen Bezug zu pathologischen Veränderungen der Calciumantwort im Rahmen neuropsychiatrischer Erkrankungen herzustellen“, sagt Prof. Dr. Dietmar Schmitz, Leiter der Studie. Originalpublikation: Ryanodine Receptor Activation Induces Long-Term Plasticity of Spine Calcium Dynamics Friedrich Johenning et al.; PLOS Biology, doi: 10.1371/journal.pbio.1002181; 2015