Weil ich einen Schleimlöser brauche, stehe ich in der Apotheke an. Eine Frau ist dran. Ihre Katze müsse entwurmt werden. Als fachkundige Person macht mich das Beratungsgespräch aus drei Gründen stutzig.
Samstagvormittag, 8:45 Uhr in einer kleinen, ländlichen Apotheke in Österreich*. Ich selbst unterhalte mich gerade am Schalter mit einer pharmazeutisch-technischen Angestellten (PTA). Ich möchte mich aufgrund einer kleinen Erkältung mit Schleimlöser und Lutschtabletten gegen Halskratzen eindecken. Als ich die zwei gewünschten Präparate der Mitarbeiterin offenbarte, ging diese schnurstracks nach hinten um sie in den unterschiedlichen Laden zu suchen.
Währenddessen wird der Platz am Schalter neben mir frei und eine Mid-Zwanzigerin tritt heran. Ihr gegenüber stehend begrüßt sie freundlich eine Apothekerin, deutlich erkennbar an ihrem Namensschild mit vorausgegangenem akademischen Titel. Die junge Dame fragte höflich und offenbar der Materie etwas unwissend nach einer Möglichkeit, ihre Katze zu entwurmen.
Die Apothekerin überlegte kurz, drehte sich um und zückte nach kurzem Suchen zwei verschiedene Präparate aus einer Lade hinter ihr. Daraufhin sagte sie zur jungen Katzenbesitzerin, dass sie folgende zwei Medikamente im Sortiment hätten. Einmal ein Entwurmungsmittel, das in Tablettenform vorliegt, und einmal ein Entwurmungsmittel, das auch gegen Zecken hilft. Die junge Dame überlegte kurz, und fragte, was dann besser sei. Die Apothekerin sagte, dass die Entwurmung über die Tablette eigentlich ganz einfach zum verabreichen ist. Man könne sie gut mit einer Streichwurst der Katze unterjubeln. Das andere Medikament hingegen ist etwas umständlich. Man müsse es auf das Fell geben.
Mehr Informationen gab es nicht. Die Apothekerin fragte auch nicht weiter nach. Nach kurzer Bedenkzeit entschied sich die Tierbesitzerin für das Medikament in Tablettenform, bezahlte und ging nach Hause.
Als fachkundige Person hat mich die gesamte Situation etwas stutzig gemacht, und zwar aus mehreren Gründen:
Viele Tierbesitzer meinen, dass Entwurmungsmittel (im Fachgebrauch als Endoparasitika bezeichnet) quasi eh keine Medikamente sind. Sie werden oft angewendet und daher oft gekauft. Dass die Wahl des richtigen Entwurmungsmittels jedoch von mehreren Faktoren abhängt, wissen die Wenigsten.
Um das am besten geeignete Präparat für das jeweilige Tier zu finden, sind einige Fragen notwendig, um die richtigen Informationen zu erhalten. Katzen die als Freigänger gehalten werden sollten mit anderen Medikamenten und in anderen Intervallen entwurmt werden, als reine Hauskatzen. Ebenso sollte nach dem Datum der letzten Entwurmung und dem verwendeten Medikament gefragt werden. Da die Medikamente gewichtsabhängig dosiert werden müssen, muss auch unbedingt das Gewicht sowie das Alter des Tieres in Erfahrung gebracht werden. Viele Präparate werden für unterschiedliche Gewichtsklassen verpackt und etliche Wirkstoffe dürfen nicht bei Jungtieren angewendet werden. Die Frage nach weiteren Tieren sowie Kleinkindern im Haushalt ist ebenso wichtig, um ein geeignetes Medikament zu finden.
Ich bin der Meinung, dass die Besitzer einen groben Überblick über die Wirkstoffe der angebotenen Präparate bekommen sollten. Zum einen sollten sie wissen, welche Medikamente sie verabreichen und zusätzlich ist es für die Besitzer wichtig zu wissen, welche Parasiten mit dem jeweiligen Präparat erfasst werden. Hier ist nicht gemeint, dass Parasiten-Gattungen oder -Arten aufgezählt werden sollten. Dennoch ist es notwendig, dass die Käufer wissen, welche Parasiten minimiert werden, und welche nicht. Diese Information ist dahingehend notwendig, damit der Kunde – zusammen mit der Fachperson – entscheiden kann, welches Präparat das für das betreffende Tier am geeignetsten ist.
Anwendungshinweise, selbsterklärend.
Entwurmungsmittel sind nahezu in allen Applikationsformen erhältlich. Die gängigsten Zubereitungsformen sind jedoch oral zu verabreichende Präparate (z.B. in Tablettenform, als Suspension oder als Kautablette) sowie Spot-ons. Die Verteilung der Häufigkeit der unterschiedlichen Applikationsformen unterscheiden sich hier bei der Zieltierart (aufgrund Praktikabilität bei der Anwendung). Dass bei der Verabreichung der Entwurmungsmittel jedoch verschiedene Faktoren berücksichtigt werden müssen, wurde in der Apotheke nicht erläutert.
Viele Entwurmungsmittel dürfen nicht zusammen oder in zeitlicher Nähe mit anderen Medikamenten angewendet werden. Außerdem entscheidet die richtige Applikation bei Spot-on-Formulierungen über den Erfolg einer Entwurmung. Der Hinweis, dass „das eine Präparat auf das Fell gegeben werden muss“, ist schlichtweg falsch. Bei Spot-on's muss das Fell vorab unbedingt gescheitelt werden, sodass die Lösung direkt auf die Haut appliziert werden kann. Nur so kann die transdermale Aufnahme gewährleistet werden.
Außerdem ist es wichtig, dass das Medikament an einer für die Katze während des Putzaktes unzugänglichen Stelle aufgetragen wird. Hierfür eignet sich z.B. die Stelle zwischen den Schulterblättern oder im Nacken. Gleichzeitig dürfen andere Tiere im Haushalt (bei innigen Tierbeziehungen) innerhalb der ersten Stunden nicht das Fell im Bereich der Applikation abschlecken (Gefahr der Vergiftung). Ebenso sollte der Hautkontakt von Menschen mit dem Wirkstoff vermieden werden. Kleinkinder, die gerne mit ihren Haustieren kuscheln, sind hier besonders gefährdet. Dass die Katzen in den ersten Stunden nach dem Aufbringen des Spot-on's auch nicht in den strömenden Regen oder unter Decken kriechen sollten, ist für den Tierbesitzer ebenso wichtig zu wissen.
Einige werden sich jetzt vielleicht denken, dass ich das Thema „Entwurmung“ viel zu eng sehe, und dass das alles übertrieben ist. Jedoch ist eine ordentlich durchgeführte Entwurmung für ein gesundes Zusammenleben zwischen Tier und Mensch unverzichtbar. Genauso ist es wichtig, dass die verwendeten Medikamente auf das jeweilige Tier abgestimmt sind und, dass die Tierbesitzer über die richtige Anwendung der Präparate und die möglichen Gefahren, die sie für Mitmenschen und anderen Haustieren mit sich bringen, aufgeklärt werden. In den meisten Fällen verläuft eine Entwurmung komplikationslos, jedoch werden oft Haustiere in Tierarztpraxen aufgrund akuter Vergiftungserscheinungen vorstellig, die aufgrund falscher Anwendung von Endo- bzw. Ektoparasitika verursacht wurden. Ebenso wenig möchte man trotz durchgeführter (jedoch falsch ausgeführter) Entwurmung die Bandwurmglieder auf dem Sofa im Wohnzimmer liegen haben.
Gleichzeitig möchte ich hier nicht die Kompetenz der ApothekerInnen hinterfragen. Bei der Fülle an Medikamenten und dazugehörigen Informationen ist es in meinen Augen jedoch notwendig, dass Humanarzneimittel in der Apotheke und Tierarzneimittel beim Tierarzt am besten aufgehoben sind. Auf diese Weise kann die Auswahl des richtigen Präparats und eine qualitative Beratung gesichert werden. Denn, auch als Tiermediziner wende ich mich bei Fragen zu eigenen Medikamenten gerne an die qualitative Beratung einer Apotheke, auch, wenn ich die Präparate kostengünstiger erwerben könnte. Mein Fachgebiet ist schließlich die Tiermedizin, und nicht die Humanmedizin.
* In der ursprünglichen Version fehlte die Information, dass es sich um eine österreichische Apotheke handelt. Dies wurde am 03.12.2020 um 9:35 Uhr von der Redaktion ergänzt.
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