Die Anliegen mancher Patientenbesitzer machen mich als Veterinärmediziner erstmal sprachlos. Damit ihr versteht, was ich meine – ein kleines Zeckenbeispiel.
Vor einiger Zeit in der Samstagssprechstunde: Die Praxis war voll, es gab sehr viel zu tun. Als gegen 12 Uhr dann so langsam alle Patienten abgearbeitet waren, rief ich als letztes zwei Mädchen zu mir ins Sprechzimmer. Sie waren mir schon die letzte dreiviertel Stunde mit ihrem kleinen wuscheligen Hund im Wartezimmer aufgefallen. Ich habe schon so einen Verdacht, als ich sie frage: „Wie alt seid ihr beiden denn?“
Es ist nämlich so: Wer mit seinem Tier zum Tierarzt geht, schließt mit diesem einen Behandlungsvertrag ab. Bei minderjährigen Auftraggebern ist vorab das Einverständnis der Erziehungsberechtigten einzuholen. Im Optimalfall liegt eine schriftliche Vollmacht des rechtmäßigen Tierbesitzers vor. Ist das nicht der Fall, sollte dieser Umstand vor Behandlungsbeginn dem Tierarzt mitgeteilt werden.
Die Mädchen drucksen herum. Sie sind noch nicht volljährig. Also frage ich nach dem Vorstellungsgrund, um die Dringlichkeit ihres Besuches herauszufinden. „Der Benno hatte eine Zecke.“ Aha. Ich frage weiter, da diese Aussage zunächst so stehen gelassen wird. „Hatte – das heißt, die Zecke ist jetzt nicht mehr da? Könnt ihr mir zeigen, wo sie war?“
Wieder Schweigen bei den Mädchen. „Da irgendwo … ?“ Sie fahren dem Hund etwas ziellos durch das lange Fell. Ich übernehme und fahre den Körper des Hundes ab, scheitele das Fell und schaue, ob ich eine Schwellung oder Kruste entdecken kann. Um es kurz zu machen: Auch ich finde nichts. Ist mir auch lieber, denn abrechnen hätte ich ja streng genommen sowieso nicht gedurft.
Trotzdem frage ich mich manchmal, mit welcher Erwartungshaltung Menschen so zum Arzt gehen. Ich stelle mir vor, wie jemand samstags in die Notaufnahme kommt und sagt: „Hallo, ich hatte vor zwei Stunden Kopfschmerzen. Können Sie da mal schauen?“ Schauen kann man immer. Aber inwiefern es in solchen Situationen sinnvoll ist, das ist eine andere Frage.
Nichts gegen Routinekontrollen – die hab ich sogar am liebsten. Außerdem sind mir zu Vorsichtige lieber als das andere Extrem, wo man sich manchmal fragt: Wieso kommen die Leute erst jetzt mit dem Tier zu mir? Aber dazu komme ich ein andermal.
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