Es gibt ja tatsächlich auch positive Nebeneffekte der Pandemie. Zum Beispiel, dass Missionare nicht mehr an meiner Haustür klingeln und nerven. Leider haben sie dafür jetzt einen neuen Weg gefunden.
Ich empfand es ja als netten Nebeneffekt der Pandemie-Regeln, dass wir zu Hause keinen Besuch von Tür- zu-Tür-Verkäufern oder missionierenden Zeugen Jehovas mehr bekommen. Das erspart mir unnötige Diskussionen. Interessant fand ich deswegen den handgeschriebenen (!) und persönlich adressierten Brief, den wir von den Zeugen Jehovas vor etwa zwei Wochen bekommen haben.
Darin gehen sie auf die aktuelle Situation ein und die Belastung, die sie psychisch mit sich bringt. Mit einem aufbauenden Psalm bringen sie sich und ihren Glauben als Stütze in diesen schwierigen Zeiten an. Das empfand ich – auch wenn ich die Zeugen sonst wie alle missionierenden Gruppen nicht sehr mag – irgendwie doch positiv.
Weniger gut kam der Brief der Organisation Citizens Commission on Human Rights (CCHR) bei mir an, den ich in der Apotheke bekommen habe.
„Betreff: Klassische Schulmedizin versus Alternativmedizin“
Der Inhalt: ein etwas seltsamer Mix aus Schmeicheleien („Als Verantwortliche für eine gute Beratung Ihrer Kunden in alternativen Möglichkeiten einer Behandlung kennen Sie die Realität wohl besser als alle anderen“) und Behauptungen („Die Pharmaindustrie kommt immer mehr ins Kreuzfeuer der Medien“), die dann aber wenig mit dem eigentlichen Ziel des Schreibens zu tun haben.
Nämlich, dass man bei ihnen Informationsbroschüren bestellt: „Glücklicherweise ist es uns möglich, Ihnen das … Informationspaket abzugeben. Zahlreiche Fragen werden zu Psychopharmaka, Antidepressiva, Tranquilizer und psychiatrischen Diagnosen beantwortet.“
Wirklich aufmerksam wurde ich bei der Bebilderung der Broschüren. Ausgesprochen abschreckend und mit (alternativen) Medikamenten hatten sie nicht viel zu tun. Ich erspare sie euch hier, denn die machen mich beim Anschauen schon fast depressiv. Auf den Broschüren sind Titel wie: „Die Vermarktung erfundener Krankheiten – sind wir alle psychisch krank?“ und „Psychopharmaka verursachen Gewalt und Selbstmord. Antidepressiva-Risiken und Nebenwirkungen.“
Da ich die Organisation CCHR nicht kannte, googelte ich mal – und fand so recht rasch, dass es sich um eine Gruppe handelt, die absolut gegen Psychiatrie ist. Sie veranstaltet regelmäßig öffentliche Veranstaltungen in schwarzen Zelten mit denselben „Psychiatrie ist Folter“-Bildern. Und, hat enge Verbindungen zur Sekte Scientology.
Ah. Nein. Nice try. Die Apotheke für ihre Missionsarbeit einzuspannen, ist allein schon daneben. Die von CCHR genannte Alternative zur Psychiatrie und Medikamenten in Form von eigenen „Kursen“ klingt für mich eher gefährlich als hilfreich.
Das Schreiben landet also in der Rundablage – da hilft auch der Schlussatz nichts:
„Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Arbeit in der Alternativmedizin. Ihre Arbeit ist geschätzt und benötigt …“
Bildquelle: Wonderlane, unsplash