Das Netzwerk Embryonenspende möchte imprägnierte Eizellen vor der Vernichtung retten und an Paare vermitteln, die auf anderem Weg kein Kind bekommen können. Das Bayerische Oberste Landesgericht verurteilte dies nun als strafbare Reproduktionsmedizin.
Der Senat am Bayerischen Obersten Landgericht hat am 4. November 2020 ein weitreichendes Urteil im Prozess gegen das Netzwerk Embryonenspende gesprochen. Dem Vorstand und zwei Medizinern wird der Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz zur Last gelegt.
Es geht hierbei um ein Netzwerk mit folgenden Zielen: Zum einen überzählige Embryonen bzw. imprägnierte Eizellen aus reproduktionsmedizinischen Therapien vor der Vernichtung zu bewahren. Zum anderen kinderlosen Paaren, die keinerlei andere Möglichkeiten haben, zu einer Schwangerschaft zu verhelfen. Es geht auch um die medizinisch-ethische Frage, wann aus einer Eizelle ein Embryo entsteht. Und es geht um die juristische Entscheidung, ob bei einer sogenannten Embryonenspende wirklich ein Embryo übertragen wird oder ob es sich um eine Eizellspende handelt, die in Deutschland einer Straftat entspricht.
Das Netzwerk Embryonenspende wurde 2013 in München gegründet und hat seinen Sitz in Höchstädt nahe Augsburg. Vorsitzende sind Hans-Peter Eiden und Dr. Angelika Eder. Die daran teilnehmende 22 IVF-Zentren finden sich u.a. in Berlin, Hamburg, München und Stuttgart.
Auf der Homepage stellt sich das Netzwerk folgendermaßen vor: Ziel sei die Vermittlung von zur Spende freigegebener Embryonen an kinderlose Paare, die selbst nicht in der Lage sind, auf natürliche oder reproduktionsmedizinische Art eigene Kinder zu bekommen. Die Embryonen stammen von erfolgreich behandelten Kinderwunschpaaren, deren Familienplanung abgeschlossen ist. Diese überzähligen Embryonen könnten nun auf Dauer eingefroren bleiben, vernichtet oder für die erwähnten anderen Kinderwunschpaare freigegeben werden. Die Freigabe erfolgt ohne jegliche materielle Gegenleistung. Der Verein leistet dabei vermittlungstechnische und medizinische Betreuung ohne Gewinnerzielungsabsicht.
Nach dem Embryonenschutzgesetzt ist in Deutschland zwar die Eizellspende verboten, nicht aber die Embryonenspende, wie das Netzwerk erklärt:
„Nicht verboten ist hingegen eine nicht-kommerzielle Vermittlung von Embryonen, die während einer Kinderwunschbehandlung legal entstanden sind und die der Kinderwunschpatientin anschließend nicht eingesetzt werden konnten.
Manche Paare – nach erfolgreicher Behandlung in einem IVF-Zentrum und abgeschlossenem Kinderwunsch – haben keine Embryonen, sondern imprägnierte Eizellen, das sind Eizellen, in die bereits die Samenzelle des Partners eingedrungen ist und die vor der ersten Zellteilung eingefroren wurden, im IVF-Zentrum gelagert.(…) Die Spende selbst erfolgt dann vollkommen anonym, auch um jegliche Gefahr der kommerziellen Absprache auszuschließen. Spenderpaar und Empfängerpaar kennen sich nicht. Geht der Kinderwunsch des Empfängerpaares in Erfüllung, dann ist die Frau, die das Kind geboren hat, biologisch die Mutter (das Bürgerliche Gesetzbuch regelt diese Frage abschließend: entscheidend ist die Geburt).“
Vor dem Rechtsstreit wurden auch imprägnierte Eizellen vermittelt, jetzt nicht mehr. Die Nachfrage nach Spenden, so Hans-Peter Eiden, sei weitaus höher als das Angebot. Durch das Vermittlungsangebot sind über 40 Kinder bereits zur Welt gekommen, das Älteste ist sechs Jahre alt. Der Verein verwaltet die Daten der genetischen Eltern, die das Kind später erfahren kann. Man achte darauf, dass das Spenderpaar zum Empfängerpaar phänotypisch passe. Im Ausland gibt es weder ein Recht auf das Wissen um die genetische Abstammung, noch ist die Vermittlung frei von finanzieller Gewinnorientierung.
Bei einer IVF-Therapie werden mehrere Eizellen imprägniert, d.h. es werden mehrere Ei- und Samenzellen jeweils im Reagenzglas zusammengeführt. Man geht deshalb so vor, um der Frau mehrere Eingriffe zu ersparen. Die Eizellen enthalten nun neben dem weiblichen auch das männliche Genmaterial, die sich jeweils zu einem sogenannten Vorkern entwickeln. Dieses Stadium wird als 2-PN-Stadium bezeichnet. Nach 18 bis 24 Stunden verschmelzen die Kerne miteinander und werden nach juristischem Verständnis zum Embryo. Nicht verwendete imprägnierte Eizellen werden eingefroren, um im Falle eines Fehlversuches aufgetaut und alternativ eingesetzt zu werden.
Das juristische Problem ist der Zeitpunkt der Befruchtung. Darüber gibt es verschiedene Auffassungen. Man streitet darüber, ob sie bereits bei der Zusammenführung von Ei- und Samenzelle geschieht oder erst nach dem Auftauen durch die Verschmelzung der Vorkerne.
Die Mediziner des Netzwerkes Embryonenspende wollten sich keinem rechtlichen Risiko aussetzen und baten die emeritierte Strafrechtsprofessorin Monika Frommel um ein Gutachten. Für diese war eindeutig, dass die Befruchtung bereits vor dem Einfrieren geschehe und daher noch mit der Zielrichtung, eine Schwangerschaft bei der Frau hervorzurufen, von der sie stammt. Sie stützte sich dabei auf eine Bekanntmachung der Bundesärztekammer, die das Erreichen des 2-PN-Stadiums als Fertilisation bezeichnet.
Der Senat am Bayerischen Oberlandesgericht sah das anders: Beim Auftauen und Weiterkultivieren einer 2-PN-Eizelle handele es sich um ein „künstliches Befruchten“. Die Befruchtung sei nicht durch das Eindringen der Samenzelle geschehen, sondern innerhalb von 24 Stunden durch die Verschmelzung der Vorkerne zum Embryo. Wird eine noch nicht fertig befruchtete Eizelle aufgetaut, um die Schwangerschaft einer anderen Frau herbeizuführen, ist dies strafbar. Hingegen bleibt die Übertragung eines bereits entstandenen Embryos straflos.
Hans-Peter Eiden hierzu: „Das versteht kein Mensch. Wenn man nun einen Tag später einfriert, ist es legal.“ Grundsätzlich später einfrieren geht aus medizinischen Gründen aber nur in Ausnahmen, wie bei Frauen um die 40 Jahre, bei denen so vorgegangen wird, um die von vorne herein erschwerte Entwicklung der Eizelle abzusichern. „Das ist Leben, das sich entwickeln kann, wenn man es lässt. Und dafür gibt es nun ein Vernichtungsgebot.“ resigniert Eiden.
Da juristisch gesehen aber im Vorkernstadium das Leben noch nicht begonnen hat, darf es noch vernichtet werden, die Eizelle aber nicht gespendet werden.
In zwei früheren Prozessen wurden die Angeklagten freigesprochen. Einer der Verteidiger sagte nach dem Prozess, der Senat habe eine sehr restriktive Sichtweise vertreten: „Es wurde die Chance vertan, das Embryonenschutzgesetz modern auszulegen:“ Da während des Befruchtungsprozesses die Zellstadien fließend ineinander übergingen, gehe das Urteil an der Praxis vorbei.
Vereinsgründer Hans-Peter Eiden kurz nach der Urteilsverkündung: „Das ist ein sehr harter Schlag: Das ist mein Lebenswerk. Viele Jahre meines Lebens sind zunichte gemacht.“
Die Menschheit hat wissenschaftlich gesehen viel erreicht. Wann aus einer Eizelle ein Embryo entsteht, ob beim Eindringen des Spermiums in die Eizelle, im Vorkernstadium oder danach, weiß letztendlich niemand mit Gewissheit.
Das Netzwerk Embryonenspende möchte Leben bewahren und dabei kinderlosen Paaren helfen. Die Zeit ist reif, das Embryonenschutzgesetz neu aufzurollen.
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