Viele Mediziner ärgern sich über die Ärztekammern. Bürokratische Hürden machen Ärzten das Leben schwer. Welche Kritikpunkte haben sie und gibt es Alternativen?
Juristisch gibt es kein Entkommen: Die Pflichtmitgliedschaft bei Ärztekammern ist in Stein gemeißelt. Selbst per Grundgesetz ließ sich nichts machen: Gerichte haben dieser Argumentation eine klare Absage erteilt und kommen zu dem Schluss: Die Pflichtmitgliedschaft ist sowohl mit dem Grundgesetz als auch mit der Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar.
Umso dringlicher bleibt zu klären: Was leisten Kammern für ihre Mitglieder? Wir haben im Kollegenkreis nachgefragt und eine Reihe von Diskussionspunkten ausgemacht.
Bekanntlich gibt es 17 Ärztekammern, die sich unter dem Dach der Bundesärztekammer organisieren. Dass hier eine föderale Struktur vorherrscht, ist für viele Mediziner nachvollziehbar, aber dennoch nicht unproblematisch.
„Ich kann ja verstehen, dass nach 1945 die Kammern bewusst föderal ausgerichtet wurden nach den Erfahrungen mit der Reichsärztekammer in der Nazizeit“, schreibt uns ein Arzt für Strahlentherapie. „Wenn das aber zur Folge hat, dass Weiterbildungsordnungen teilweise erheblich voneinander abweichen, die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse sehr divergiert und die Beitragsordnungen erheblich voneinander abweichen, dann spricht dies nicht für ein Weiter so, sondern für eine Reform.“ Andere Kollegen bestätigen dies gegenüber den DocCheck News.
Ärger entsteht unter anderem auch in Hinsicht auf den regelmäßig zu entrichtenden Obolus. „Die Beitragsgebühren […] erinnern an Wegelagerei, und vollends wütend wird man beim Blick auf die (selbstzugeteilten) Saläre, da stehen unsere Standesvertreter in nichts der Taschen-voll-Mentalität im Bundesparlament nach“, formuliert es eine Anästhesiologin.
Und eine Internistin ergänzt: „Mir ist auch nicht klar, warum die Kammerbeiträge nach Einkommen gestaffelt sind (es handelt sich ja nicht um eine Steuer o.ä.) und dann noch zusätzlich gesetzlich vorgeschriebene Nachweise wie das Fortbildungszertifikat alle 5 Jahre separat bezahlt werden müssen.“
Für ähnlichen Unmut sorgen Facharzt-Zulassungen. Recht wenig Unterstützung von der Kammer bekam eine Kollegin, die Fachärztin für Allgemeinmedizin werden wollte. „Mir wurde zunächst eine Absage zur Prüfung erteilt, weil ein bestimmter Teil der Inneren Medizin (Arbeit auf der interdisziplinären Palliativstation) nicht anerkannt wurde“, berichtet sie uns per Mail. „Zwei meiner männlichen Kollegen mit genau den gleichen Stationen im selben Krankenhaus und gleichen Zeiten und gleichen Zeugnissen … wurden zur Prüfung zugelassen.“
Die Kammer hat sich zu dem unterschiedlichen Vorgehen nicht geäußert. Mehrere Monate gingen ins Land, angeblich hatte der zuständige Ausschuss die Causa vergessen. Plötzlich erfuhr sie, dass ihr Prüfungstermin in 30 Tagen stattfinden soll.
Alles in allem verzögerte sich die geplante Niederlassung um mehrere Monate. Auch danach ging das Desaster weiter; scheinbar sind kammerintern erneut Dokumente nicht an der richtigen Stelle gelandet sind. Die Ärztin wundert sich: „Wofür werden unsere Beiträge zur Ärztekammer eigentlich verwendet? Nur, um ihre Selbstverwaltung aufrecht zu erhalten? Zu kontrollieren, dass wir Ärzte auch bloß pünktlich ausreichend Fortbildungspunkte anreichen?“
Ein Kollege, der uns ebenfalls via Mail kontaktierte, sieht das ähnlich: „Ich habe den Großteil meiner Weiterbildung (Allgemeinmedizin) in Düsseldorf (Kammer Nordrhein) gemacht. Für die Praxiszeit bin ich nun in Ladbergen im Münsterland (Kammer Westfalen-Lippe).“ Mit Problemen war anfangs nicht zu rechnen. Doch es kam anders:
„Vor dem Wechsel hatte ich meine Weiterbildungsunterlagen bei der Ärztekammer Nordrhein vorgelegt und eine Bescheinigung bekommen, dass soweit alles in Ordnung ist und was mir noch fehlt“, erinnert er sich. Speziell die Logbücher seien auch geprüft worden. Gebracht hat das wenig: Der Arzt musste nochmals Unterlagen einreichen und weitere Nachweise erbringen.
Vor allem Ergänzungen am Logbuch erwiesen sich als problematisch, weil sein früherer Chef aus der Chirurgie schon längst in Rente war. „Nach viel Hin und Her wurden meine Unterlagen schließlich doch noch akzeptiert und ich kann meine Weiterbildung Allgemeinmedizin zu Ende führen, nachdem ich zwischenzeitlich befürchtet hatte, von vorn beginnen zu müssen“, so das Fazit des Arztes.
Auch bei juristischen Anfragen bekleckern sich manche Kammern nicht gerade mit Ruhm. „In 24 Jahren habe ich die Unterstützung der Ärztekammer vier Mal benötigt“, berichtet ein Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie. „In keinem Fall hat mir die ÄK geholfen.“ Anfragen seien immer an einen Juristen delegiert worden; dieser habe anstelle klarer Aussagen nur mit schwammigen oder unklaren Aussagen geantwortet. Auch eine Allgemeinmedizinerin bestätigt, dass man keine Hilfe bekomme, wenn man mit Problemen auf die Kammer zu käme.
Bei Aspekten zur Honorierung kommen Ärztekammern ebenfalls schlecht weg. „Warum lassen wir uns in den GOÄ-Verhandlungen die Butter vom Brot nehmen?“, möchte ein psychotherapeutisch tätiger wissen. Im Jahr 1999 waren es 180 DM pro Stunde, heute 92,51 Euro. Im genannten Zeitraum hat sich die Kaufkraft relativ um 25 Prozent verringert.
„Ich habe zwei Kinder vor dem Studium und muss mich heute fragen, wie ich das finanzieren soll“, so sein Kritikpunkt. „Rechtanwälte, Steuerberater und Architekten mit eigener Kammer passen ihre Honorare regelmäßig an.“ Die Hörigkeit von Kammern gegenüber Krankenversicherungen und Ministerien kann er nicht verstehen.
„Es gibt viele berechtigte Kritikpunkte“, schreibt ein Vertreter der Landesärztekammer Bayern. Daran arbeite man seit mehr als 20 Jahren. Nur ist die Suche nach Alternativen denkbar schwierig, wie er schreibt: „Wollen wir eine eigene Berufsordnung definieren? Ja, unbedingt! Wollen wir, dass Gesundheitsministerien und Krankenkassen festlegen wer, wie Facharzt werden kann? Welche Inhalte gelehrt werden müssen? Doch eher nicht, oder?“
Sein Fazit: „Bei aller Unvollkommenheit: Wir dürfen uns noch immer selbst intern organisieren. Ein hohes Gut! Wenn wir das erhalten wollen, brauchen wir Ärztekammern.“ Dennoch muss er einräumen, dass manche Punkte wie etwa die GOÄ „schlecht laufen“ und äußerst unbefriedigend“ seien.
Bildquelle: Kin Wai Cheung, unsplash